Hat sie ihre Karriere für immer verbrannt?

Nach dem Rücktritt: Welche Optionen hat Anne Spiegel jetzt noch?

von Esther Kusch

Es waren gerade einmal vier Monate: Familienministerin Anne Spiegel gibt am Sonntagabend eine denkwürdige Pressekonferenz, gibt Fehler zu, begründet dies mit einer sehr belasteten Familiensituation. Der Rücktritt folgt dann am folgenden Tag – der Druck war zu groß. Sie machte in diesen Tagen keine glückliche Figur. War es das nun für Anne Spiegel? Ist sie und ihre Karriere für immer verbrannt?

„Am Ende hat sie die Entscheidung getroffen, dass sie zurücktritt und dieses Amt zu schützen“

Der Schlaganfall des Mannes, die belastende Corona-Situation mit vier Kindern und dann noch drei Ämter als Politikerin – so erklärte Anne Spiegel vor laufenden Kameras am Sonntag ihre politischen Fehler während der Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021. Einen Rücktritt verkündete sie aber nicht. Der folgte dann einen Tag später. Sie begründete das kurz und knapp per E-Mail mit dem „politischen Druck“ und um „Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Aufgaben steht.“ Öffentlich äußerte sie sich weiter nicht, lehnte Interviewanfragen ab.

Parteifreunde, Ampel-Kollegen und der Kanzler zollten Spiegel für ihre persönliche Lage größten Respekt. „Am Ende hat sie die Entscheidung getroffen, dass sie zurücktritt und dieses Amt zu schützen“, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Dienstagmorgen im RTL/ntv-Frühstart. „Das war gestern ein unfassbar harter Tag für uns als Partei, für uns persönlich, allen voran natürlich für Anne Spiegel und ehrlich gesagt auch für unsere Familienpolitik.“ Die bisherige Ministerin sei eine leidenschaftliche Stimme für Kinderrechte und Familien gewesen.

VIDEO: Wer wird der oder die Nachfolger/in Spiegels?

Was bedeutet der Rücktritt nun für das Ampel-Kabinett? Wer könnte der oder die Nachfolgerin von Anne Spiegel werden? Einordnungen dazu von RTL-Politikchef Nikolaus Blome.

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Politik-Experte: Comeback ausgeschlossen!

Doch was kommt nun? Während sich die Grünen-Parteispitze um eine/n Nachfolger bemühen muss, scheint Anne Spiegels politische Karriere nun wohl auf Eis zu liegen. So sieht es zumindest Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke („Blätter für deutsche und internationale Politik“).

"Aufgrund der Umstände dieses viel zu lange aufgeschobenen Rücktritts ist die Karriere Anne Spiegels meines Erachtens auf Dauer beendet“, sagt er im Interview mit RTL. „Hätte sie die Größe gehabt und auch die politische Intuition zu erkennen, dass ein Rücktritt unausweichlich ist und diesen bereits am Sonntagabend verkündet, dann hätte dies Anerkennung gefunden und die Möglichkeit eines Comebacks eröffnet. So halte ich das für ausgeschlossen."

Karriere in der Wirtschaft - eine Option?

Es gibt Politiker-Beispiele, die jedoch zeigen, dass es auch eine politische Karriere nach dem Rücktritt geben kann: So ist Franziska Giffey (SPD) nach ihrem Rücktritt bedingt durch die Plagiatsaffäre als Familienministerin im vergangenen Jahr inzwischen zur Regierenden Bürgermeisterin von Berlin gewählt worden, Norbert Röttgen (CDU) war einmal Umweltminister unter Angela Merkel und spielt auch weiter im politischen Business in Berlin mit.

Andere machten nach ihrem Rücktritt in der Wirtschaft Karriere. Sei es ein Karl-Theodor zu Guttenberg, der inzwischen als Lobbyist und Unternehmensberater arbeitet oder Philip Rösler, der bis 2013 Gesundheitsminister war und nach einem historisch schlechtem Ergebnis der FDP von allen Ämtern zurücktrat. Er ist inzwischen Honorarkonsul für Vietnam in der Schweiz, Wirtschaftsmanager und Aufsichtsrat.

Aber ob die Karriere in der Wirtschaft ein Weg für Anne Spiegel ist? 2007 machte sie ihren Magister-Abschluss in den Fächern Politik, Philosophie und Psychologie, arbeitete von 2008 bis 2010 bei Berlitz als Sprachtrainerin und konzentrierte sich dann schon früh auf die politische Karriere. Spiegel sitzt seit 2011 als Abgeordnete im rheinland-pfälzischem Landtag. Es bleibt wohl abzuwarten, welche beruflichen Schritte die 41-Jährige gehen wird.

Geldsorgen? Sicher erstmal nicht

Eines ist zumindest sicher: Große Geldsorgen wird sich Anne Spiegel in den nächsten Monaten erstmal nicht machen müssen. Denn Bundesministern steht generell mit Beginn ihres ersten Amtstages ein so genanntes Übergangsgeld zu, erklärt der Bund der Steuerzahler im RTL-Interview: „Bereits nach einem Tag Amtszeit stehen einem Bundesminister rund 75.660 Euro Übergangsgeld zu. Je nach Dauer der Amtszeit kann das Übergangsgeld auf knapp 227.000 Euro steigen, das maximal zwei Jahre nach Ausscheiden gewährt wird. Das Übergangsgeld wird ab dem zweiten Monat mit privaten Einkünften verrechnet.“

Wieviel Geld es bei Anne Spiegel genau sein wird, ist nicht bekannt. Es ist zumindest ein guter finanzieller Puffer, um sich genau zu überlegen, welchen Weg sie nun einschlagen will. Rückenwind bekommt sie übrigens von einer ihrer Vorgängerinnen, die das Übergangsgeld verteidigte: „Sie bekommt drei Monate ihr volles Gehalt, drei Monate ihr halbes. Das ist wirklich nicht überdimensioniert“, twitterte Ex-Familienministerin Kristina Schröder. „Sie braucht ja etwas Zeit, um sich einen neuen Beruf zu suchen. Und von irgendwas muss die sechsköpfige Familie ja leben.“

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