Psychologe gibt Tipps
Nach Todesfahrt auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg! Wie gehen wir jetzt mit der Angst um?

Wenn die Vorfreude auf Weihnachten von Angst überschattet wird.
In Magdeburg hat die Polizei einen 50-Jährigen festgenommen, der gezielt mit einem Auto in einen Weihnachtsmarkt raste. Viele Menschen fragen sich spätestens jetzt: Was bedeutet die Angst vor Terror für einen geplanten Weihnachtsmarktbesuch? Gehe ich trotzdem hin oder lasse ich es lieber bleiben? Und was ist zu tun, wenn die Panik, dass etwas passieren könnte, immer größer wird?
Anschlag in Magdeburg – Psychologe über Umgang mit Ängsten
Bei der Todesfahrt von Magdeburg sind fünf Menschen umgekommen. Eines der Opfer soll ein Kleinkind sein. Dutzende Menschen wurden teils schwer verletzt. Bereits vor einigen Wochen hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser wegen der angespannten Sicherheitslage zu erhöhter Wachsamkeit bei Weihnachtsmarktbesuchen gemahnt. Dass es jetzt tatsächlich zu einem Anschlag gekommen ist, dürfte bei vielen Deutschen kurz vor Weihnachten Ängste auslösen.
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Sollte ich mich also besser zu Hause einigeln, anstatt mich jetzt noch ins weihnachtliche Getümmel zu stürzen? Im RTL-Interview erklärte Psychologe Michael Thiel bereits Ende 2023, allerdings mit Blick auf die Angst vor einem geplanten Anschlag, dass das durchaus Sinn mache, wenn sich schon im Voraus bei dem reinen Gedanken an den Weihnachtsmarktbesuch innere Unruhe einstellt. „Stress-Symptome wie feuchte Hände, schnelle Atmung, ein schneller Herzschlag und Gedankenkreisen deuten auf Angst hin, Fluchtgedanken machen sich breit“, sagt er.
Wer also echte Sorgen verspürt, sollte der eigenen mentalen Gesundheit zuliebe besser von der Tasse Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt absehen. Denn: „Angst ist immer ein Warnzeichen von Gefahr, hat alte, evolutionäre Wurzeln und sichert das Überleben“, so der Psychologe.
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Wenn die Angst auf dem Weihnachtsmarkt zuschlägt
Trotzdem gilt: zunächst einmal checken, wie realistisch die vermeintliche Gefahr, vor der mich die Angst warnen will, ist und danach abwägen, ob ich mich der Situation aussetzen oder sie vermeiden möchte.
Wichtig: „Unser Leben ist immer mit Risiken verbunden“, so Thiel. Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht. „Wenn ich das Leben trotzdem täglich mutig und fröhlich bestreite, ist das psychologisch gesehen ein Weg, um ein zufriedenes Leben führen zu können.“
Wer sich also dazu entscheidet, sich nicht von möglichen Gefahren (die ohnehin immer bestehen könnten) die gebrannten Mandeln vermiesen zu lassen, der kann zur Not auch auf bestimmte Übungen zurückgreifen, sollte es vor Ort zu Problemen kommen.
Wenn ich auf dem Weihnachtsmarkt bemerke, dass sich Sorgen breitmachen oder der Kopf sich in ein einziges Gedankenkarussell verwandelt, nur noch von dem Schlimmsten ausgegangen wird, dem könne diese Entspannungstechnik des Experten helfen:
„Die 4-7-8-Atmung hilft, sich während einer Panikattacke wieder zu beruhigen. Atme dafür langsam durch die Nase ein, zähle dabei bis vier und halte den Atem für etwa sieben Sekunden an. Atme dann kräftig durch den Mund aus, zähle dabei bis acht. Wiederhole die Übung so lange, bis du dich wieder etwas beruhigt hast.“
Auch dieses Achtsamkeitstraining helfe:
„Wenn die Angst hochkommt, versuche vier Sachen zu sehen, die blau sind. Versuche vier Sachen zu riechen, zu schmecken, zu hören.“
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Im Video: Augenzeugen nach Weihnachtsmarkt-Horror unter Schock
Offen mit der Angst umgehen oder lieber nichts sagen, um andere Menschen nicht zu verunsichern?
Man ist auf dem Weihnachtsmarkt, die ersten Sorgen sind verflogen – doch trotzdem herrscht noch ein unbehagliches Gefühl. Stellt sich die Frage: Berichte ich meinen Liebsten, mit denen ich gerade einen leckeren Crêpe verspeise, von meinem Unwohlsein? Oder sollte ich meine Angst für mich behalten, um keine Panik auszulösen oder aber gesagt zu bekommen „Ach Mensch, jetzt stell dich doch nicht so an“?
Da hat Psychologe Michael Thiel einen ganz klaren Favoriten: „Ein Leitsatz bei der Angstbewältigung ist ‘Der Weg aus der Angst führt durch die Angst!’. Je mehr ich mich offen und konstruktiv mit meiner Angst auseinandersetze, sie nicht vermeide, sondern sie konfrontiere, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie geringer wird.“ Somit würde es mehr Sinn machen, seine Gefühle auch offen zu kommunizieren.
Habe ich mich dann dazu entschlossen, die angstauslösende Situation zu besuchen, heißt es, diese auszuhalten und mich mit den schönen Seiten der Situation zu beschäftigen und mich dadurch zu entspannen.
Vorsicht! Wenn die Angst zu sehr einschränkt, sollte gehandelt werden
Problematisch wird es laut des Psychologen vor allem dann, wenn sich die Angst ausbreitet und sich „generalisiert“, sprich auch auf andere Situationen überträgt: „Dann ist es nicht nur der Weihnachtsmarktbesuch, sondern auch der Konzertbesuch, das Einkaufen im Einkaufszentrum, volle Bahnen etc. Dann schränkt die Angst meine Lebensqualität ein und wird unrealistisch.“
Thiel sagt, dass ab diesem Punkt Behandlungsbedarf bestehe, damit es nicht zu einer Angststörung oder Ähnlichem komme.