RTL-Reporter begleitet dramatische Evakuierungs-Aktion
Mit dem Privat-PKW an die Front: Die freiwilligen Helfer riskieren jeden Tag ihr Leben
Die russische Armee konnte in den letzten Tagen in manchen Gebieten der Ukraine schnell vorrücken. Für die Menschen in den Städten und Dörfern bedeutet das: Die Gefahr steigt täglich. Deshalb entscheiden sich immer mehr zu fliehen. Doch ohne eigenes Auto und Geld sind sie auf die Hilfe von Freiwilligen angewiesen. Unser Reporter hat eine solche Rettungsaktion begleitet. Die zum teils dramatischen Bilder sehen Sie im Video.
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Iryna hat keine Wahl - sie muss fliehen: "Jetzt ist es wirklich beängstigend"

Im Hintergrund donnern die Geschütze der Artillerie und Iryna packt hektisch ein, was sie mitnehmen möchte. Sie wohnt in einem kleinen Dorf bei Bakhmut. Die Front ist nur noch 40 Kilometer entfernt. Nicht mehr lange und die Geschosse werden auch hier einschlagen. Im Wald neben dem Dorf haben schon ukrainische Soldaten Stellung bezogen und warten auf die Russen. Eigentlich hoffte Iryna, nicht fliehen zu müssen, doch nun hat sie keine Wahl.
“Vor ein paar Tagen war noch alles in Ordnung, aber jetzt ist es wirklich beängstigend. Richtig beängstigend” sagt sie, während sie ihre Katzen und Hunde in den Transporter bringt. Er gehört Alex und seinen Freunden. Die fünf Freiwilligen fahren fast täglich von Dnipro hier an die Front. Ihr goldener Minibus ist fast 30 Jahre alt, mehr als eine Millionen Kilometer gelaufen. Immer wieder geht er kaputt, doch er wird gebraucht. Wie Iryna haben viele hier kein eigenes Auto. Das Militär kann nicht helfen, sie haben mit den Kämpfen alle Hände voll zu tun. Also springen Freiwillige ein. Sie bekommen kein Geld dafür, investieren ihr eigenes Geld in die Fahrzeuge und riskieren jeden Tag ihr Leben.
„Wir fahren entlang der Frontlinie, Du weißt nie, ob die Russen nicht irgendwo durchbrechen. Bei Bakhmut wird überall geschossen. Die Gefahr ist ständig da. Aber Zivilisten leiden, weil sie keinen Schutz haben. Durch unsere Aktionen versorgen wir unsere Leute mit Nahrung, Wasser und helfen Frauen und Kindern bei der Evakuierung.“

Jeder Abschied ist verbunden mit der Hoffnung zurückkehren zu können

Tausende warten hier noch auf ihre Evakuierung. Aber längst nicht alle wollen weg. Als Alex und die anderen in einer Straße von Haus zu Haus gehen und fragen, wer mitfahren möchte, winkt eine alte Frau ab. Sie könne nicht mit. Ihr Mann wäre 80 Jahre alt und schafft es nicht. Alex und sein Freund Timur reden auf die Frau ein, verschwinden für ein paar Minuten mit im Haus.
Mit Erfolg: Das ältere Ehepaar hat sich überreden lassen und kommt nun doch mit. Zu laut donnern mittlerweile die Geschütze von der näher rückenden Front. Immer wieder entscheiden sich daher Menschen kurzfristig ihr Haus zu verlassen. Eine Frau hat nur ein paar Sachen zusammengepackt, verschließt die Tür und macht ein Kreuzzeichen. Jeder Abschied ist verbunden mit der Hoffnung zurückkehren zu können.
Nina (83) lebt ohne Hilfe mit dem gehbehinderten Sohn - für sie gibt es keine Rettung
Ein paar Häuser weiter kommen auch die Freiwilligen an ihre Grenze. In einer Wohnung lebt die 83-jährige Nina allein mit ihrem erwachsenen Sohn. Ohne Strom, ohne Hilfe. Der Sohn ist gehbehindert, braucht dringend Medizin. Sie würde gern evakuiert werden, sagt sie uns, aber sie brauchen für den Sohn einen Krankenwagen. Alex und die anderen bringen ihr Lebensmittel und versprechen Hilfe zu holen. Dann müssen sie die Frau zurücklassen.
Eigentlich sind alle Plätze besetzt, doch man rückt zusammen
Nebenan sind noch Familien mit Kindern. Seit der Offensive der letzten Tage, schlafen alle im Keller des Mietshauses. In absoluter Dunkelheit, denn unten gibt es keinen Strom. Die Kinder bleiben fast die ganze Zeit unten im Keller. Zu groß die Angst der Eltern, es könnten wieder Raketen einschlagen. Maria und ihre Freundinnen basteln und spielen mit Puppen. Ein kleiner LED-Strafen an der Decke erhellt den Raum. Die Kinder können noch immer etwas lachen, doch sie wünschen sich nichts mehr, als dass alles endlich vorbei ist und sie ihr normales Leben wieder zurück bekommen. Auch sie werden wohl bald ihre Sachen packen. Die Familien wollen gemeinsam fliehen. Sie warten auf einen sicheren Transport. Die Freiwilligen werden auch hier versuchen zu helfen. Dann müssen sie los. Es geht zurück nach Bakhmut. An der Straße steht eine Frau mit einem Koffer, schnell springt sie noch in den Minibus. Eigentlich sind alle Plätze besetzt, aber man rückt zusammen.
Plötzlich taucht ein russische Kampfjet am Himmel auf. Die ukrainischen Abwehrraketen zischen in den Himmel. Für Alex und die anderen das Zeichen schnell aufzubrechen. Sie haben kaum die Stadt verlassen, als in Bakhmut Raketen einschlagen.
Nach vier Stunden erreichen sie dann sicher Dnipro. Hier können die Geretteten erst mal durchatmen. Iryna musste im Transporter mitfahren. Im Laderaum lag sie die ganze Zeit auf alten Säcken und beruhigte ihre Katzen und Hunde. Jetzt aber lachen alle gemeinsam. Sie haben es geschafft. Auch wenn sie nicht wissen, was jetzt wird. Wie lange sie hier bleiben müssen. Hauptsache Sicherheit.
Und während ihr Gepäck ausgeladen wird, planen Alex und seine Freunde schon die nächste Fahrt. Mehr als 25 Leute haben sich in den letzten Stunden bei ihnen gemeldet und gefragt, ob sie sie auch evakuieren können. Schon am nächsten Morgen fahren sie wieder Richtung Front.
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