Missbrauchskomplex Wermelskirchen
Verdächtiger Marcus R. (44) soll Windeln aus dem Müll gefischt haben

Die Ermittler sprechen von einer neuen Dimension der Brutalität: Marcus R. (44), der Hauptbeschuldigte im Missbrauchskomplex Wermelskirchen, soll ein Dutzend Kinder brutal missbraucht und die Aufnahmen mit weiteren Männern getauscht haben. Das jüngste war erst einen Monat alt. Eine ehemalige Nachbarin erzählt der "Bild", der IT-Experte sei ihr schon vor Jahren nicht geheuer gewesen. Vermutlich habe er heimlich Windeln aus dem Müll ihrer Familie gefischt.
Marcus R. bot sich als Babysitter an
Im Jahr 2005 habe Marcus R. von ihren Schwiegereltern ein Grundstück gekauft, sagt die Frau dem Blatt. "Sie wirkten wie eine Bilderbuchfamilie. Wir haben uns angefreundet, gegrillt, zusammen Weihnachten gefeiert." 2010 kam ihre Schwester mit Marcus R. zusammen, die Beziehung hielt fünf Monate. "Er fing damals schon an, sich als Babysitter für unsere Kinder anzubieten", erinnert sich die Ex-Nachbarin des Verdächtigen. Weil sie keinen Bedarf hatten, lehnten sie ab.
Missbrauchskomplex Wermelskirchen: Oberstaatsanwalt mit Details zu Taten und Hauptbeschuldigtem
Ex-Nachbarin: Marcus R. hat vermutlich Windeln aus dem Müll genommen
Als die Frau 2012 ihre jüngste Tochter zur Welt brachte, ließ sie das Kind zeitweise von Marcus R.s Mutter betreuen. "Wenn unsere Tochter zurückkam, haben wir uns gewundert, warum sie immer so lange geschlafen hat. Sie war wie betäubt", berichtet die frühere Nachbarin in "Bild".
Im Laufe der Zeit habe Marcus R. dann immer sonderbarer gewirkt und öfter Fotos von ihren Kindern machen wollen. "Einmal kam er in Badehose, wollte mit den Kindern in den Pool. Das haben wir strikt abgelehnt." Und nicht nur das: "Wir vermuteten, dass er Windeln aus unserem Müll genommen hat. Einmal hat mein Mann ihn dabei gesehen", erinnert sich die Ex-Nachbarin. Schließlich riss der Kontakt ab – das war im Jahr 2013.
Verdächtiger IT-Experte soll für Bayer HealthCare gearbeitet haben
Nachdem er seine jetzige Frau kennengelernt hatte, zog Marcus R. 2018 weg. Er soll laut "Bild" zuletzt als "Application Manager" für Bayer HealthCare gearbeitet haben. Ihre Tochter könne sich "zum Glück" nicht an ihn erinnern, erzählt die Ex-Nachbarin. Dennoch will sie sie nun von einem Psychologen untersuchen lassen. "Wir sind fassungslos. Der nette Nachbar war ein Monster."
Die Taten des 44-Jährigen Wermelskirchen sollen bis ins Jahr 2005 zurückreichen. Er habe mit Dutzenden weiteren Männern Bilder und Videos "unvorstellbarer Brutalität" getauscht, erklärten die Ermittler. Es seien 3,5 Millionen Bilder und 1,5 Millionen Videos sichergestellt worden. Den Großteil seiner Opfer soll er als Babysitter gefunden haben.
NRW-Innenminister Herbert Reul: Videos vom Missbrauch sind über 30 Minuten lang

"Wir können jetzt schon sagen, dass dieser Missbrauchskomplex in vielerlei Hinsicht eine neue, entsetzliche Dimension hat, die mich tief erschüttert", sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) zu dem Fall. "Wie oft habe ich das schon gesagt: eine neue Dimension, die mich erschüttert. Und dann kommt eine, die ist noch schlimmer. Wir haben es diesmal mit einer unfassbaren Brutalität zu tun. Die Täter haben sich in barbarischster Art und Weise an Babys, an Kleinkindern vergangen, sie missbraucht, sie vergewaltigt, gequält – und ihr Handeln dann auch noch gefilmt. Die Videos dauern sehr lang, zum Teil über 30, 40 Minuten. Und entsprechend lang ist das Leiden der Kinder."
Missbrauchskomplex Wermelskirchen: Säuglinge und Kinder mit Behinderung unter Opfern
Neben Marcus R. wurde den Ermittlern zufolge bislang 73 weitere Verdächtige identifiziert. Einige davon sollen auch selbst Kinder vergewaltigt haben. 33 minderjährige Opfer sind bekannt – darunter fünf Säuglinge und Kinder mit Behinderung. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die Kinder in einigen Fällen betäubt wurden.
Deutschlandweit wird in 14 Bundesländern ermittelt – nur Bremen und das Saarland sind nicht betroffen. Die meisten Verdächtigen sind laut Ermittlern zwischen 26 und 45 Jahre alt. (bst)