Zahl der Gewaltaten fünf Prozent höher als im Vorjahr

Mehr Gewalt in Beziehungen: Jeden dritten Tag wird eine Frau getötet

Gewalt gegen Frauen (Symbolfoto)
Gewalt gegen Frauen (Symbolfoto)
Luc Boutria, picture alliance / PHOTOPQR/NICE MATIN/MAXPPP, picture alliance

BKA veröffentlicht Statistik zur Partnerschaftsgewalt

Ein schlimmer Trend hat sich weiter verstärkt und Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus: Die Zahl der angezeigten Gewalttaten durch Partner oder Ex-Partner ist 2020 noch stärker gestiegen als in den Jahren zuvor. Laut einer aktuellen Statistik zur Partnerschaftsgewalt registrierten die Behörden im vergangenen Jahr bundesweit 146.655 Fälle, in denen ein aktueller oder ehemaliger Partner Gewalt ausübte oder dies versuchte - ein Anstieg um 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 139 Frauen und 30 Männer wurden von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet – im Schnitt stirbt so jeden dritten Tag eine Frau.

Täter sind zu 80 Prozent Männer

Kriminalistische Auswertung zur Partnerschaftsgewalt
Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts BKA, bei der Pressekonferenz zur kriminalistischen Auswertung zur Partnerschaftsgewalt.
Michael Kappeler, picture alliance/dpa, dpa

Seit 2015 erhebt die Polizei Daten zu Gewalt in der Partnerschaft. Die Zahl der Opfer hat seither um elf Prozent zugenommen. Wenn sich jemand bei der Polizei meldet, ging es meistens - in 61,6 Prozent der Fälle - um vorsätzliche einfache Körperverletzung. Bedrohung, Stalking oder Nötigung wurden deutlich seltener angezeigt. Weitere Delikte, die diese Statistik erfasst, sind unter anderem gefährliche Körperverletzung, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, Zwangsprostitution, Mord und Totschlag.

Wie die jüngsten Daten des Bundeskriminalamtes (BKA) zeigen, geht die Gewalt nach wie vor zum überwiegenden Teil von Männern aus. Der Anteil weiblicher Tatverdächtiger ist in den vergangenen Jahren jedoch leicht gestiegen - auf nun 20,9 Prozent.

"Ausgeprägte patriarchalische Rollenbilder" begünstigen Gewalt in der Beziehung

Von den erfassten Tätern sind rund 34 Prozent Ausländer. Hier fällt auf, dass der Anteil der Männer bei den syrischen Tatverdächtigen mit 91,5 Prozent und bei den türkischen Verdächtigen mit 88,3 Prozent überdurchschnittlich ist, während der Anteil männlicher polnischer Tatverdächtiger mit 74,2 Prozent unter dem Durchschnitt aller männlichen Tatverdächtigen liegt.

Trennung, beruflicher Stress, Streit um Erziehungsfragen - die Anlässe für Aggression sind vielfältig. Zu den Faktoren, die Gewalt in Paarbeziehungen generell begünstigen, zählen laut BKA-Präsident Holger Münch "ausgeprägte patriarchalische Rollenbilder“ sowie Gewalterfahrungen in der Kindheit.

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Rund vier von fünf Opfern (80,5 Prozent) waren im vergangenen Jahr weiblich. Am häufigsten betroffen waren Menschen im vierten Lebensjahrzehnt. Jedes dritte Opfer war zwischen 30 und 39 Jahre alt. Knapp 38 Prozent der Opfer erlebten Gewalt durch einen Ex-Partner oder einer Ex-Partnerin. Fast jedes dritte Opfer (32,3 Prozent) war mit dem Tatverdächtigen verheiratet, während 29,4 Prozent in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft lebten.

Darauf, dass Verheiratete tendenziell länger in einer toxischen Beziehung ausharren als Unverheiratete, deutet hin, dass fast die Hälfte aller Menschen, die im vergangenen Jahr Opfer von Mord und Totschlag in der Partnerschaft wurden (47,2 Prozent), mit dem Täter verheiratet war.

Mehr Gewalt durch Corona?

Kriminalistische Auswertung zur Partnerschaftsgewalt
Christine Lambrecht (SPD, rechts) geschäftsführende Frauen- und Familienministerin, Petra Söchting, Leiterin des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen", und Holger Münch, Präsident des BKA
Michael Kappeler, picture alliance/dpa, dpa

Dass Gewalt in Paarbeziehungen oder zwischen Ex-Partnern durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stark zugenommen hätten, lässt sich aus der Polizeistatistik nicht ohne weiteres ablesen. Denn die Daten beziehen sich auf Fälle, bei denen die Ermittlungen 2020 abgeschlossen wurden. Bei den während der Monate des (Teil-)Lockdowns begangenen Gewalttaten ist der Anstieg im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum relativ gering.

Allerdings geht die Polizei davon aus, dass solche Taten während der Zeit der Kontaktbeschränkungen seltener von Dritten entdeckt wurden. Zudem ist es für Betroffene schwieriger, sich bei der Polizei zu melden, wenn der gewalttätige Partner ständig in der Nähe ist.

  • Beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, wo sich Betroffene unter der Nummer 08000 116 016 melden können, stieg die Zahl der Beratungsgespräche um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Die Polizei geht bei Gewalt in der Partnerschaft davon aus, dass die überwiegende Mehrheit der Straftaten nicht angezeigt wird. Um das Dunkelfeld auszuleuchten, ist eine Studie geplant. Ein wissenschaftlicher Beirat hat die Kriterien dafür ausgearbeitet.

Femizide: Straftaten aus Frauenhass

 Demonstration zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Düsseldorf, 20.11.2021 *** Demonstration on the International Day against Violence against Women Düsseldorf, 20 11 2021 Foto:xD.xAnoraganingrumx/xFuturexImage
Demonstration zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen in Düsseldorf am 20.11.2021
www.imago-images.de, imago images/Future Image, Dwi Anoraganingrum via www.imago-images.de

Die Innenministerkonferenz hat im Juni beschlossen, Vorschläge zur Erfassung und Bekämpfung von gezielt gegen Frauen gerichteten Straftaten zu erarbeiten. Bei der nächsten Innenministerkonferenz im Dezember soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe berichten, wie es da weitergehen soll.

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Für die geschäftsführende Bundesfrauenministerin Christine Lambrecht (SPD) ist wichtig, dass ein "übersteigerter Besitzgedanke" von Tätern, die etwa ihre Partnerin oder Schwester töten, vor Gericht als niedriger Beweggrund benannt wird, was sich dann strafverschärfend auswirkt. Lambrecht verweist auch auf das Gewaltschutzgesetz. Das hilft Opfern von Partnerschaftsgewalt dabei, durchzusetzen, dass der Täter die gemeinsame Wohnung verlassen muss. (uvo; dpa)