Maas auf Afghanistan-Mission
So will der Außenminister die zurückgelassenen Ortskräfte rausholen
Was passiert jetzt mit den Menschen in Afghanistan, die der Bundeswehr geholfen haben? Dieser Frage muss sich heute und in den kommenden fünf Tagen Bundesaußenminister Heiko Maas stellen. Denn nachdem die Bundesregierung vollmundig verkündet hatte, dass man die zurückgelassenen Ortskräfte und Aktivisten nicht im Stich lassen werde, muss Maas jetzt Taten folgen lassen. Weil die Bundesregierung in Afghanistan selbst aber keinen Einfluss mehr hat, trommelt der Minister jetzt in Afghanistans Nachbarländern um Unterstützung. Es ist außerdem die letzte Chance für Heiko Maas, sein politisches Ansehen wieder herzustellen.
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Maas verhandelt in Usbekistan
Der Einsatz Deutschland in Afghanistan ist Geschichte, doch das Engagement soll weiterlaufen. „Ich reise heute in die Region, um deutlich zu machen: Deutschlands Engagement endet nicht mit dem Abschluss der militärischen Evakuierungsmission“, sagte Maas vor seine Abreise nach Usbekistan – der ersten Station seiner Reise.
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Aber wie viel kann der Bundesaußenminister noch bewirken, jetzt wo die Bundeswehr abgezogen und die Botschaft in Kabul geschlossen ist? Maas muss auf Unterstützung durch Afghanistans Nachbarn hoffen. Daher auch sein erstes Ziel: Taschkent, die Hauptstadt Usbekistans. Mit der dortigen Regierung hatte die Bundesregierung schon mehr oder weniger erfolgreich die Evakuierungsmission ausgetüftelt. Zwischen den Flughäfen von Taschkent und Kabul hatte die Bundesregierung eine Luftbrücke eingerichtet und so im Pendelverkehr Menschen ausgeflogen.

Erste Verhandlungserfolge
Und tatsächlich: Am Morgen konnte Maas die ersten Verhandlungserfolge vermelden. Usbekistan sei bereit zu helfen. Vor allem geht es dabei um eine Weiternutzung des Flughafens in Taschkent als Drehkreuz für die Rettung und Weiterreise von Deutschen, Ortskräften und Schutzbedürftigen nach Deutschland.
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Was währenddessen mit den zehntausenden Hilfesuchenden Afghanen passiert, die nicht „schutzbedürftig“ sind, bleibt weiter unklar. Denn weder will die usbekische Regierung Flüchtlinge ins Land lassen, noch hat sich Außenminister Maas dafür eingesetzt. „Darüber hinaus haben wir keine Anfrage gestellt“, sagte Maas in Taschkent.
Maas will nur Afghanen mit Aufnahmezusage bei Ausreise helfen
Im Klartext heißt das: Es dürfen nur diejenigen Afghanen nach Deutschland ausreisen, die auf einer Ausreiseliste des Auswärtigen Amtes stehen. „Es geht uns nur um diese Personengruppe“, betonte Maas noch einmal. Mit der strikten Beschränkung auf diese Gruppe wolle er falschen Hoffnungen vorbeugen und verhindern, dass es an den Grenzübergängen zu ähnlich chaotischen Zuständen wie am Flughafen Kabul in der vergangenen Woche kommt, so Maas. „Letztlich wollen wir eines vermeiden: Nämlich, dass das, was sich in Kabul am Flughafen ereignet hat, wiederholt.“
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Auf den Ausreiselisten stehen mehr als 10 000 Afghanen. Dazu zählen ehemalige afghanische Mitarbeiter von Bundeswehr oder Ministerien - die sogenannten Ortskräfte - und besonders schutzbedürftige Menschen wie Menschenrechtsaktivisten oder Frauenrechtlerinnen. Hinzu kommen deren Familienangehörige. Zusammen geht es nach jetzigem Stand um mehr als 40 000 Menschen, die in Deutschland aufgenommen werden sollen - wenn es ihnen gelingt, das Land zu verlassen.
Maas will internationale Afghanistan-Konferenz
Für Zehntausende weitere Ausreisewillige und Flüchtende heißt das allerdings: warten. Noch bis Dienstag sorgen die US-Amerikaner in Kabul für einen gewissen Schutz. Wenn allerdings der letzte Flieger der US Airforce abgehoben hat, müssen sie darauf vertrauen, dass Diplomaten verschiedener Länder sich darauf einigen können, wer wie viele Flüchtlinge aufnehmen will. Eine Einigung mit den Taliban vorausgesetzt.
Deshalb will Maas in den kommenden Tagen auch mit den Regierungen von zwei weiteren Nachbarländern Afghanistans, nämlich Tadschikistan und Pakistan verhandeln. Maas schwebt eine internationale Afghanistan-Konferenz vor, bei der auch die Big-Player China und Russland mit dabei sein sollen. Denn beide unterhalten – im Gegensatz zu den meisten westlichen Ländern –noch immer Botschaften in Kabul und befinden sich auch in Gesprächen mit der Taliban.
Außenminister Maas lehnt hingegen direkte Gespräche mit der Taliban ab. Der Gesprächspartner der Bundesregierung für die Taliban sei der Diplomat Markus Potzel, der derzeit mit Vertretern der neuen afghanischen Machthaber im Golfemirat Katar verhandelt. „Das ist der Kanal, den wir nutzen.“ Das werde man auch weiter tun.
Raketenangriff auf Kabuler Flughafen
Unterdessen spitzt sich die Lage in Kabul noch einmal dramatisch zu. In der Nacht zu Montag sind mindestens fünf Raketen auf den internationalen Flughafen abgefeuert worden, konnten aber rechtzeitig von einem Raketenabwehrsystem abgefangen werden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Der lokale Ableger des so genannten Islamischen Staates reklamierte den Angriff für sich.
Erst am Donnerstag waren bei einem Anschlag des IS am Flughafen Dutzende Menschen getötet worden, darunter auch 13 US-Soldaten sowie zwei Briten. Sender wie CNN sprachen dabei von bis zu 200 Toten. Die US-Army hatte daraufhin Vergeltungsangriffe geflogen.