Aktivisten-Camps in Kohledörfern
Haben Lützerath-Aktivisten "alles zugeschissen"? Anwohner umliegender Orte fühlen sich bedroht
Der Protest um die Räumung von Lützerath schlägt nun auch in den umliegenden Erkelenzer Kohledörfern hohe Wellen. Denn einige Klimaaktivisten haben ihre Lager inzwischen dort aufgeschlagen – und sorgen dafür, dass sich Anwohner wohl nicht mehr auf die Straße trauen: „Wir haben schlichtweg Angst.“ Nächtliche Böllerwürfe und Fäkalien auf den Grundstücken sollen seitdem zur Tagesordnung gehören, berichten Betroffene in einem Brief an die Polizei und Vertreter der örtlichen Politik, der der Zeitung „Rheinische Post“ vorliegt.
Bitte um Hilfe: Anwohner der Erkelenzer Dörfer wenden sich in Brief an die Politik
Um ihren Bedenken mehr Nachdruck zu verleihen, haben sich jetzt 45 Anwohner in einem Brief an Polizeipräsident Dirk Weinspach, Landrat Stephan Pusch und den Erkelenzer Bürgermeister Stephan Muckel gewandt. Der Brief liegt auch der „Rheinischen Post“ vor, darin heißt es: „Wir haben schlichtweg Angst.“
Die Kohledörfer Keyenberg, Kuckum, Berverath und Ober- und Unterwestrich sind größtenteils verlassen. Nur noch wenige Menschen sind dort geblieben und haben sich nicht vom Druck des RWE vertreiben lassen.
"Die haben im Grunde die ganzen Dörfer zugeschissen"
„Sie rennen wie selbstverständlich in zwei Nächten durch die Dörfer, vermummt, schlagen Scheiben ein, beschmieren Wände und feuern Böller ab“, heißt es in dem Brief. Die Aktivisten sollen zudem in Einfahrten uriniert und in Gärten der Anwohner auch ihr großes Geschäft erledigt haben. Teilweise „haben wir Aktivisten von Privatgrundstücken vertrieben, da sie dort einen Campingplatz eröffnen wollten“, heißt es weiter in dem Brief an die Politik und das Regionalblatt.
Lese-Tipp: Lützerath: So bereiten sich die Aktivisten auf die Räumung vor
„Für uns fühlt es sich an wie in Hitchcocks ,Die Vögel‘. Da rennen nachts 100 bis 200 schwarz Vermummte durchs Dorf, rufen Parolen und werfen Böller. Die haben im Grunde die ganzen Dörfer
zugeschissen, an den Häusern und auf den Feldern massive Schäden hinterlassen.“ erzählt Barbara Oberherr der „Rheinischen Post“. Sie ist schon in den vergangenen Wochen immer wieder das Sprachrohr der Kohledörfer gewesen – viele verbliebene Bewohner wollen aus Angst anonym bleiben.
Empfehlungen unserer Partner
Im Video: Nach Ausschreitungen bei Lützerath-Räumung: Aktivisten verlassen Tunnel freiwillig
30 weitere Videos
Kein durchkommen zu Campern: Gespräche zwischen Anwohnern und Aktivisten scheitern
Persönliche Gespräche zwischen Aktivisten und Anwohnern sollen nicht möglich gewesen sein –das schildern die Bewohner ebenfalls in ihrem Brief. „Dann geh rein und guck fern, dann kriegst du den Mist nicht mit!“, „Hier wird sowieso bald alles abgebaggert, wir können machen, was
wir wollen“ oder „Wir haben die Dörfer gerettet und nun entscheiden wir, was damit wird!“ seien nur ein paar der Antworten gewesen, mit denen sie konfrontiert worden sein, berichtet die Rheinische Post.
Lese-Tipp: Polizei soll Braunkohledorf Lützerath räumen - Aktivisten blockieren Straße mit brennender Barrikade
Es ist absurd, denn bis zuletzt hatten Anwohner und Aktivisten für die gleiche Sache gekämpft. Jetzt leben sie in Angst – besonders Ältere und auch viele ukrainische Geflüchete, die in den Dörfern untergekommen waren, hätten Angst. Sie würden sich „kaum noch auf die Straße trauen“.
Wir möchten Ihre Meinung wissen: Wie stehen Sie zu den Protesten?
Klare Unterscheidung zwischen Aktivisten und Extremisten
In ihrem Brief machen die Dorfbewohner aber auch deutlich, dass sie nicht alle Klimaaktivisten vor Ort über einen Kamm scheren. „Viele von uns haben selber für den Klimaschutz demonstriert, sind geblieben und respektieren rücksichtsvollen, nicht strafbaren Aktivismus“, schreiben sie laut der regionalen Tageszeitung. Wie es für die Bewohner der Kohledörfer weitergeht, darüber wollen sie am 02. Februar in der Stadthalle eine Auftaktveranstaltung abhalten. (npa)