Aussage der Grünen-Chefin Ricarda Lang lässt aufhorchen
Laufzeitverlängerung von AKWs: Bröckelt jetzt der grüne Widerstand?

Die Debatte um eine längere Nutzung der letzten deutschen Atomkraftwerke entwickelt sich allmählich zu einem Stresstest für die Ampel-Koalition. Führende Grünen-Politiker wiesen noch am Wochenende erneut Forderungen nach einer Laufzeitverlängerung als Maßnahme gegen eine drohende Energiekrise vehement zurück. Doch bröckelt dieses dicke „No Go“ etwa? Zumindest ließ eine Aussage der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang bei „Anne Will“ aufhorchen.
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FDP fordert laut die Laufzeitverlängerung

Die Forderungen kommen teilweise auch vom Koalitionspartner FDP. „Ich rate dringend dazu, die Laufzeiten der Kernkraftwerke für einen befristeten Zeitraum zu verlängern“, sagte Fraktionschef Christian Dürr den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Entgegen anders lautender Einschätzungen hat bereits ein Betreiber erklärt, dass er willens und in der Lage ist, die Laufzeiten befristet zu verlängern.“
Zuvor hatten die FDP-Fraktionsvorsitzenden aus Bund und Ländern in einer gemeinsamen Erklärung formuliert: „Das Ende der Stromproduktion durch Kernenergie ist ein politisch definiertes und kein technisch vorgegebenes Datum. Politik muss die Kraft finden, diese politische Entscheidung angesichts einer so dramatischen Entwicklung politisch anzupassen.“ Die Bundesregierung müsse „jetzt und umgehend veranlassen, dass ein weiterer Satz Brennelemente für die drei Kraftwerke bestellt wird.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warf den Befürwortern längerer AKW-Laufzeiten mangelnde Objektivität vor. „Erst einmal ist die Atomkraft eine Hochrisikotechnologie und einige Äußerungen sind mir da einfach zu spielerisch“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Samstag. „Fakt ist: Wir haben aktuell ein Gasproblem, kein Stromproblem. Dieses ‘Wir lassen die mal weiterlaufen, dann wird schon alles gut’ steht weder im Verhältnis zu den Abstrichen bei den Sicherheitsstandards, die wir dafür in Kauf nehmen müssten, noch ist es der Situation angemessen.“
Lang zu AKW-Verlängerung „Stand jetzt nicht der richtige Weg“
Bei „Anne Will“ dann die Wende? Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte zunächst, dass AKWs bei eine Gasmangel-Lage weniger flexibel seien als Kohlekraftwerke, um die Gasverstromung zu ersetzen. Sie machte auch auf Haftungsrisiken und mögliche Klagen bei längeren Laufzeiten aufmerksam. Und doch sagte sie dann: Sie komme zu dem Schluss, dass dieses „Stand jetzt nicht der richtige Weg sei.“ Zugleich müsse man aber schauen, wie sich die Lage auf dem Strommarkt entwickele. Stand jetzt? Moderatorin Anne Will fasste nach: Gibt es also aus Grünen-Sicht, die Möglichkeit, dass die AKW-Laufzeiten verlängert werden? Die Aussage wäre nämlich ein absolutes Novum bei den Grünen.
Lang sagte dazu: „Nein. Erstmal sage ich, dass wir im Moment das nicht tun werden. Dann sage ich, dass wir in jedem Moment innerhalb dieser Krise natürlich immer auf die aktuelle Situation reagieren müssen und dabei alle Maßnahmen prüfen werden. Das haben wir in der Vergangenheit getan. Das haben wir nie kategorisch ausgeschlossen. Sondern wir haben immer aktuell geprüft, was macht in diesem Moment Sinn. Das werden wir auch weiter tun.“
Zuvor hatte Lang in einem Interview mit t-online gesagt: Deutschland habe ein Problem mit der Wärmeenergie, nicht mit der Stromerzeugung. Neue Studien gingen davon aus, dass Atomkraft nur weniger als ein Prozent der Stromerzeugung aus Gaskraftwerken ersetzen könnte. „Es wäre, als ob man das Pflaster auf die falsche Stelle klebt.“
Die Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik Jennifer Morgan sieht mit Blick auf die Streitigkeiten um die Atomenergie und dazu das Tempolimit den Koalitionsvertrag als Grundlage: „Es wird in einer Koalition immer verschiedene Debatten geben, aber der Klimawandel geht nicht weg und der Koalitionsvertrag muss umgesetzt werden,“ sagte sie im RTL/ntv-Frühstart. Einen „Handel“, bei dem die Grünen sich auf die Atomenergie einlassen und die FDP einem Tempolimit zustimmt, hält sie nicht für möglich. Der Fokus sollten jetzt die sozialen Auswirkungen der Energiepolitik und die Umsetzung der beschlossenen Klimaziele sein. Das ganze Interview sehen Sie im Video.
Dennoch: Die Aussage von Ricarda Lang bei Anne Will dürfte die AKW-Laufzeit-Debatte sicher eher noch anfeuern, als beenden. Werden die Grünen auch diese für sie so schlimme Kröte schlucken müssen? Warten wir es ab. (eku/dpa)
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