Kommentar zu erstem öffentlichen Auftritt von Angela Merkel
Ganz schwach, Frau Merkel!
Das erste Mal seit ihrem Abgang als Bundeskanzlerin stellt sich Angela Merkel den Fragen eines Journalisten. Den extrem windelweichen Fragen des Spiegel-Kollegen Alexander Osang, muss man sagen. Sie mache nur noch Wohlfühl-Termine, betont Merkel selbst in dem Gespräch. Das sei ihr gegönnt. Aber es entbindet sie nicht von der Pflicht zur selbstkritischen Rückschau auf ihre Amtszeit, findet unser Autor Christian Berger.
Krasser politischer Fehler: Billiges Gas war wichtiger als klare Kante gegenüber Putin
Seit dem 24. Februar tobt mitten in Europa ein blutiger Krieg. Kanzler Scholz hat zurecht eine Zeitenwende ausgerufen – und es ist keine Wende zum Besseren. Und was sagt die Ex-Kanzlerin dazu: Diplomatie könne eben auch scheitern. Pech gehabt, Europa! Das ist arm!
Bundespräsident Steinmeier hat sich für seine Fehleinschätzungen in der Außenpolitik gegenüber Putins Russland entschuldigt – und damit am Ende Größe gezeigt. Das hätte ich auch von der Bundeskanzlerin erwartet, die 16 Jahre die Geschicke dieses Landes verantwortet hat. Sie hatte die Richtlinienkompetenz. Sie war die Chefin. Unter ihrer Führung hat Deutschland ein Jahr nach der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim die Nordstream-2-Verträge unterschrieben. War das Diplomatie? Nein, das war ein deutscher Affront gegenüber den osteuropäischen EU-Partnern und auch gegenüber der Ukraine.
Billiges Gas war wichtiger als klare Kante gegenüber Putin. Das war ein krasser politischer Fehler, hat Deutschland in eine Energieabhängigkeit von Russland getrieben und Putin signalisiert: Es hat keine ernsthaften Konsequenzen, wenn du einen Teil eines anderen Staates annektierst. In der Ukraine fragt man sich zurecht, ob es zu der Eskalation jetzt gekommen wäre, wenn schon 2014 ernsthafte Sanktionen gegenüber Russland verhängt worden wären.
Man kann der Ex-Kanzlerin nicht unterstellen, dass sie es nicht mit Diplomatie versucht habe. Und ja, Diplomatie kann scheitern. Aber Nordstream-2 war ein Fehler. Basta! Und diesen Fehler kann sie nicht beim Koalitionspartner SPD abladen. In diesem Punkt hätte ich zumindest ein bisschen Nachdenklichkeit erwartet, ein bisschen Selbstkritik. Wenn man 16 Jahre ein Land regiert, dann ist man den Bürgern dieses Landes ein Stück weit Rechenschaft schuldig. Besonders, wenn weniger als ein halbes Jahr nach dem Abgang, in Europa der schlimmste Konflikt seit dem zweiten Weltkrieg ausbricht. Alles richtig gemacht, Frau Merkel?
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