„Niemand hat ihm geholfen“
Nach mehr als 200 Überstunden im Monat: Junger Arzt begeht Suizid

Die Mutter hält ein Foto ihres toten Sohns hoch und bricht in Tränen aus.
Takashima Shingos starb im Mai 2022. Der 26 Jahre alte Arzt aus Kobe in Japan beging Suizid. Seine Familie erhebt nun schwere Vorwürfe gegen das Krankenhaus, in dem er bis zu seinem Tod gearbeitet hat. Hat die Klinik den jungen Mann bis zur völligen Erschöpfung schuften lassen?
Familie des toten Arztes macht dem Krankenhaus in Kobe schwere Vorwürfe
Wie der Sender CNN berichtet, gehen die Anwälte der Familie des Arztes davon aus, dass Takashima in dem Monat vor seinem Tod 207 Überstunden gemacht haben soll. Drei Monate lang soll er sich keinen einzigen Tag freigenommen haben. Die Familie des Arztes geht darum jetzt an die Öffentlichkeit, um für bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor in Japan zu kämpfen.
„Niemand hat ihm geholfen“, klagt seine Mutter in einer Pressekonferenz an. „Ich glaube, diese Arbeitsumgebung hat ihn zum Äußersten getrieben.“ Es sei einfach zu hart gewesen für ihren Sohn. Auch der Bruder des Toten äußerte sich: „Egal, wie wir auf die Arbeitszeit meines Bruders schauen: 200 Überstunden sind eine unglaubliche Zahl.“ Er macht außerdem dem Krankenhaus Vorwürfe. Er habe nicht das Gefühl, dass die Verantwortlichen dort irgendeinen ernsthaften Versuch unternehmen, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter besser zu managen.
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Krankenhaus bestreitet Verantwortung am Tod von Takashima
Das Krankenhaus widerspricht den Vorwürfen von Takashimas Familie. „Wir erkennen das nicht als einen Fall von Überstunden an und werden den Vorfall nicht weiter kommentieren“, sagte die Klinik in Kobe auf CNN-Anfrage. Niemand habe angeordnet, dass Takashima so viele Stunden zusätzlich arbeitet, behauptet auch der Krankenhauschef Eisei Gu laut der die Nachrichtenagentur AP.
In einer Pressekonferenz erklärte ein Krankenhaussprecher, dass viele Ärzte in ihrer Freizeit noch forschen würden. Schlafen würden die angestellten Ärzte dann so, wie sie es individuell bräuchten. „Wegen der großen Freiheit, die wir ihnen lassen, ist es nicht möglich genaue Arbeitszeiten zu bestimmen“, behauptet die Klinik.
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Hat Überarbeitung zu psychischen Problemen und Suizidabsicht geführt?
Hat diese „Freiheit“ dazu geführt, dass Takashima das Gefühl hatte, niemals Feierabend machen zu können? Seine Familie ist davon zumindest überzeugt. Und auch das japanische Inspektionsbüro für Arbeitsstandards ist nach einer Prüfung des Falls überzeugt, dass die psychischen Probleme des jungen Mannes durch die vielen Überstunden verursacht wurden, berichtet AP.
Immer wieder gibt es in Japan Fälle, in denen sich Menschen extrem in ihre Arbeit stürzen. 2017 hatte der Fall einer 31 Jahre alten Reporterin Schlagzeilen gemacht. Sie war 2013 gestorben, nachdem sie 159 Überstunden in einem Monat gearbeitet hatte. Vier Jahre nach ihrem Tod, erkannten die Behörden an, dass die Überarbeitung zu Herzversagen bei der Frau geführt hatte. (jgr)
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Hier finden Sie Hilfe in schwierigen Situationen
Sollten Sie selbst von Suizidgedanken betroffen sein, suchen Sie sich bitte umgehend
Hilfe. Versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen! Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch die Möglichkeit, anonym mit anderen Menschen über Ihre Gedanken zu sprechen. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.
Wenn Sie schnell Hilfe brauchen, dann finden Sie unter der kostenlosen Telefon-Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 Menschen, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.