Ein Kölner Verein hilft Waisen aus der Ukraine
Unvorstellbare Kinderschicksale: Mädchen wollte getötete “Mutter wieder zusammenstecken“
In der Ostukraine, nur zwei Flugstunden von Köln entfernt, sind kriegsähnliche Zustände fast allgegenwärtig. Seit 2014 sind bei den Auseinandersetzungen zwischen pro-russischen Separatisten und Regierungstruppen mehr als 13.000 Menschen getötet worden.
Unsere Reporterin Fabricia Karutz hat in Köln die Mitglieder eines deutsch-ukrainischen Vereins getroffen, die sich um die schwächsten Opfer dieses Konflikts kümmern. Die Kinder haben Unvorstellbares erlebt, der Verein versucht, den Kindern wieder Normalität zurückzugeben.
Lese-Tipp: Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine finden Sie in unserem Liveticker
50 Kinderhände - 50 verletzte Seelen

50 kleine Handabdrücke auf einer Leinwand. Hinter diesem farbenfrohen Bild verbergen sich 50 furchtbare Lebensgeschichten von Waisenkindern aus der Ukraine. Linda Mai vom Verein Blau-Gelbes Kreuz in Köln erzählt uns von den schlimmen Erlebnissen, die die Kinder durch die Kämpfe im Osten des Landes zu verkraften haben:
„Ein Mädchen und ihre Mama gingen zum Markt. Es war ein ganz gewöhnlicher Tag in 2015. Mariupol wurde beschossen von der russischen Armee.“ Die Ukrainerin kämpft mit den Tränen, als sie weiterspricht: „Das Kind und seine Mutter gerieten unter Beschuss. Aber das Mädchen hat überlebt und hat gesehen, dass ihre Mutter vom Bombenangriff zerfetzt worden war. Und dann hat sie angefangen, sie zusammenzustecken. Weil sie dachte, vielleicht schläft sie nur. Ja, solche Kinder haben wir hier.“
Ferien im Frieden

Der Kölner Verein hilft den ukrainischen Waisenkindern, indem sie ihnen Ferien in Frieden ermöglichen. Alles, was Köln und Umgebung zu bieten haben, wird besucht: der Dom, der Zoo, das Phantasialand und natürlich der 1. FC Köln. „Damit sie all das, was wir sehen, auch verstehen, übersetze ich“, erklärt Vilen Adamskyi. Der 28-Jährige ist selbst vor sechs Jahren aus der Ukraine nach Deutschland gezogen und studiert inzwischen Politikwissenschaften. Schmunzelnd fährt er fort: „Bereits nach drei Tagen Ferienfreizeit habe ich immer fast keine Stimme mehr, weil das so ein quirliger Haufen ist.“
Zwischen acht und 16 Jahre sind die betreuten Kinder und Jugendlichen alt. Es wird viel gelacht, aber auch geweint. Zum Beispiel, wenn sie sich über ihren schweren Verlust austauschen, erzählt Linda Mai: „Sie fragen dann: Wie lange ist denn dein Papa schon tot? Und wie hast du davon erfahren? Hast du ihn damals gesehen? Diese Themen gehören zum Alltag der Kids und werden sie ihr Leben lang begleiten. Da läuft mir immer wieder ein Schauer über den Rücken.“
"Sie töten unsere Kinder.“

Linda Mai und ihr Team starten einen Videoanruf in die Ukraine zu Krystyna Golovachova, die den Verein vor Ort tatkräftig unterstützt. Für unser digitales Interview hat sie sich extra in ihre Nationaltracht geworfen - eine weiße Bluse bestickt mit bunten Blumen. Krystyna Golovachova berichtet uns von der angespannten Situation im umkämpften Osten des Landes:
„In den Kindergärten und Schulen üben die Kinder, sich in Luftschutzbunker zurückzuziehen für den Fall eines Bombenangriffs. Das ist doch schrecklich. Es sind doch Kinder, die spielen sollten. Schon vor acht Jahren konnten wir uns nicht vorstellen, dass die, die wir Brüder nannten und angreifen. Sie nehmen einen Teil unseres Landes, sie töten unsere Kinder.“
Auf meine Frage, ob sie daran denkt zu fliehen, falls es zu einem Einmarsch russischer Soldaten kommen sollte, entgegnet mir Krystyna Golovachova mit fester Stimme: „Unsere Koffer sind gepackt. Nicht für die Flucht, sondern für die Front. Alle aus unserem Umfeld sind bereit, sich zu verteidigen.“
Grün für die Hoffnung

Zurück zu dem Bild mit den kleinen Handabdrücken: Eines der Kinder sträubte sich dafür seine kleine Hand in rote, pinke oder orange Farbe zu tauchen und wurde panisch. Etwas später stellte sich heraus, dass diese Farben das kleine Mädchen an das Blut ihres Vaters erinnerten. Im Endeffekt verewigte sie sich doch auf dem Bild mit einem hoffnungsvollen Grün. Für die Zukunft hoffen Linda Mai und die weiteren Mitglieder des Vereins Blau-Gelbes Kreuz das Beste für die Menschen in der Ukraine, rechnen aber mit dem Schlimmsten und mit vielen weiteren traumatischen Geschichten.
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