Zwei Jahre Haft auf Bewährung
Justizbeamte verdiente monatlich über 6.000 Euro bei der AWO, ohne jemals dort gearbeitet zu haben
Geld verdienen, ohne dafür etwas tun zu müssen – davon träumen die meisten. Die ehemalige Justizbeamte Melanie R. soll diesen Traum gelebt haben, doch er wurde anscheinend auf illegale Weise Wirklichkeit: Von der damaligen Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt in Wiesbaden soll sie zwischen 2015 und 2020 regelmäßig Honorare sowie Scheingehälter erhalten haben, ohne jemals für die Awo tätig gewesen zu sein. Im Rahmen des Awo-Skandals flog der mutmaßliche Betrug auf – die 39-Jährige wurde nun vom Frankfurter Amtsgericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.
Arbeitsvertrag zum Schein geschlossen
Das Amtsgericht Frankfurt ging am Montag von acht Einzelfällen aus und zog darüber hinaus rund 172.000 Euro ein - der Betrag, den die Angeklagte zu Unrecht erhalten hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die 39-Jährige hatte nach den Feststellungen des Gerichts mit der Geschäftsführung des Awo-Kreisverbands Wiesbaden zum Schein einen Arbeitsvertrag geschlossen sowie mehrere Honorarrechnungen eingereicht, obwohl sie für die Awo niemals wirklich tätig geworden war. Darüber hinaus wurde ihr über mehrere Jahre hinweg ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Der Awo entstand dadurch ein Gesamtschaden von 283.000 Euro.
Vor Gericht äußerte sich die Angeklagte nicht zu den Vorwürfen. Hintergrund war der Umstand, dass die Unregelmäßigkeiten offenbar auf Betreiben ihres Ehemannes zustande kamen, der bei der Awo tätig war.
Wuchergehälter und teure Dienstwagen

Übertriebene Spitzengehälter, dubiose Dienstwagen-Regelungen, Titelmissbrauch und eine geldgierige Chefetage: Die Liste der Vorfälle bei der Arbeiterwohlfahrt in Hessen ist lang. Bereits 2019 berichtet ein Mitarbeiter vom Awo-Ortsverband Nied über die Missstände beim Awo-Kreisverband Frankfurt: „Die Zahlen werden ja immer absurder, was dort an Gehältern ausgezahlt worden ist, was an Honorarverträgen bestanden hat und was für ein Gestrüpp an Firmen aufgebaut worden ist – der Wirtschaftskriminelle hätte es nicht besser gemacht.“ Hauke Hummel erwähnt schon damals im RTL-Interview ein Gespräch mit dem Ex-Awo-Chef Jürgen Richter, in dem dieser ihm von seiner Schwäche für teure Autos erzählte. „Das mutete etwas merkwürdig an für jemanden, der Geschäftsführer eines Wohlfahrtsverbandes ist.“
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Berichte über Frankfurts Noch-Oberbürgermeister als Auslöser der Awo-Krise

Zuletzt war die Verwicklung von Frankfurts baldigem Ex-Oberbürgermeister Peter Feldmann in die dubiosen Machenschaften des Arbeiterwohlfahrtverbands wieder in den Fokus gerückt. Am 18. Oktober 2022 startet der Prozess am Frankfurter Landgericht gegen Peter Feldmann, der unter anderem wegen des Verdachts der Vorteilsannahme seit Monaten in der Kritik steht und kürzlich seinen Rücktritt im Januar 2023 ankündigte.
Die Berichte über das übertarifliche Gehalt und den Dienstwagen für Feldmanns Frau hatten 2019 den sogenannten Awo-Skandal ausgelöst. Seitdem gab es im Zusammenhang mit weiteren Vorwürfen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue in Millionenhöhe gegen frühere Führungsmitglieder der Awo; auch der Wiesbadener Verband ist von dem Skandal betroffen. Die Awo hat sich später mit einem anderen Vorstand und Präsidium neu aufgestellt.
Die neue Awo-Führung schätzt den Schaden, der durch die ehemaligen Funktionäre des Frankfurter Kreisverbands entstanden ist, auf mehrere Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin gegen mehrere frühere Awo-Funktionäre wegen Veruntreuungs- und Betrugsverdacht. (dpa/gmö)