Inselstaat erklärt Ziel schon für erreichtHerdenimmunität für Malta: Wie steht die Prognose für andere Länder?

Als erstes EU-Land erklärt Malta, die ersehnte Herdenimmunität gegen Corona erreicht zu haben: 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung hätten mindestens eine Impfdosis erhalten, erklärte Gesundheitsminister Chris Fearne. Doch zählt für die Herdenimmunität wirklich nur die Impfquote? Und wo stehen Deutschland und beliebte Urlaubsländer?
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475.000 Dosen verimpft - bei einer halben Million Einwohner

„Wir haben heute die Herdenimmunität erreicht“, so Minister Chris Fearne am 24. Mai bei einer Pressekonferenz. In dem Land mit etwa 500.000 Einwohnern wurden laut Daten des Gesundheitsministeriums Stand Sonntag bislang mehr als 475.000 Impfstoffdosen verabreicht. Fearne zufolge sind von den Menschen über 16 Jahren knapp 42 Prozent durchgeimpft. Von den über 60-Jährigen wurden bereits 95 Prozent geimpft, insgesamt sank die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen Monaten stark.
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So schnell impfen Deutschland und andere Länder
Im Vergleich zu den Zahlen aus Malta liegt Deutschland beim Impftempo noch zurück. Rund 42,1 Prozent der Bevölkerung haben laut Robert Koch-Institut bisher die erste Impfung erhalten (Stand 27.05.). Das sind 35.024.896 Menschen. Als vollständig geimpft gelten 16,4 Prozent der Bevölkerung, also 13.674.483 Einwohner.
Israel, das bereits lange vor Deutschland mit den Impfungen begonnen hatte, zählt etwas über 5,1 Millionen durchgeimpfte Erwachsene. Gemessen an der Bevölkerungszahl des Landes ist das eine Impfquote von beinah 60 Prozent. Israelische Wissenschaftler forschen mittlerweile an einer Corona-Schluckimpfung.
Wer hofft, dass beliebte Urlaubsländer bald dem Beispiel aus Malta folgen könnten, muss sich noch etwas gedulden. In Italien etwa gelten weniger 18,6 Prozent der Bevölkerung als durchgeimpft. In Österreich, Frankreich und Portugal liegt ihr Anteil sogar darunter. Und auch in Spanien sind erst 37,3 Prozent erst- und 18,4 Prozent durchgeimpft. Aber: Wer messen will, wann eine mögliche Herdenimmunität erreicht sein könnte, muss neben der Impfquote noch andere Parameter beachten.
Impfquoten und Infektionen: Wovon hängt die Herdenimmunität ab?

Der Begriff Herdenimmunität kommt aus der Tierwelt und der Seuchenepidemiologie und bezeichnet eine indirekte Form des Schutzes vor einer ansteckenden Krankheit. Sie entsteht, wenn ein hoher Prozentsatz einer Population bereits immun geworden ist – sei es durch Infektion oder durch Impfung.
LESE-TIPP: Experte erklärt: Wovon hängt die Herdenimmunität ab?
Auch Mediziner Dr. Christoph Specht erklärt, dass die Herdenimmunität über Impfungen und natürliche Infektionen erreicht werde. "Vor allem Kinder, die sich infizieren, ohne zu erkranken, tragen zur Herdenimmunität bei", so Specht. Denn sie würden praktisch immun, ohne es zu merken, und "sind dann keine Virenschleudern mehr“. Ist also eine ausreichende Zahl der Bevölkerung infolge einer durchlebten Corona-Erkrankung immun oder aber gegen das Virus geimpft, kann sich der Erreger kaum noch ausbreiten. In diesem Fall spricht man von Herdenimmunität, dem Schutz durch die Gemeinschaft also.
Ist die Herdenimmunität überhaupt realistisch?
Genau diese Herdenimmunität war seit Beginn der Pandemie das erklärte Ziel vieler Experten. Damals ging man von Herdenimmunität bei einer Durchimpfungsrate von 60 Prozent aus. Zum Vergleich: Beim Masern-Virus spricht man erst ab einer Quote von 95 Prozent von Herdenimmunität. Mit Ausbreitung der sehr viel ansteckenderen britischen Variante müsse diese Zahl nun auf 70 bis 80 Prozent erhöht werden, sagt Epidemiologe Prof. Timo Ulrichs. Das sind zwischen 50 und 60 Millionen Menschen in Deutschland. Dr. Georg-Christian Zinn, Direktor des Hygienezentrums Bioscientia: „Da können wir schon einmal 13 Millionen Kinder abziehen. Die werden wir nämlich vor Ende des Sommers nicht impfen können, weil da die Zulassung fehlt", so Zinn. "Dann haben wir noch eine Menge nachzuholen, wofür wir Impfstoff brauchen. Zudem dürfen wir die noch sehr unklare Anzahl von Impfgegnern oder Impfzweiflern nicht dazurechnen."
Experten mahnen: Herdenimmunität muss global gedacht werden

Auch Angela Merkel nimmt für ihre Prognose die Corona-Mutanten in den Blick: Je aggressiver eine neue Virus-Variante sei, desto mehr Menschen müssten geimpft sein, um eine Herdenimmunität zu bekommen, so die Kanzlerin. Ein Unruheherd sei die indische Virus-Variante, die sich schneller ausbreite als die britische. Eine Herdenimmunität für einzelne Länder wie in Malta – kann das überhaupt funktionieren? Biologe Franz-Xaver Reichl von der LMU München mahnt: "Die Pandemie ist nicht vorbei, wenn es in Deutschland eine Herdenimmunität gibt. Das Virus grassiert global!“ Um Corona vollständig zu besiegen, muss die Herdenimmunität auf die gesamte Weltbevölkerung ausgeweitet werden. Auf diesem langen Weg sind die Meldungen aus Malta in jedem Fall ein wichtiger Schritt – aber eben nur ein kleiner. (fge/rka)
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