Häusliche Gewalt nimmt weiter zu
Hannah (36) spricht über ihr Martyrium: „Ich habe mich jahrelang dafür unendlich geschämt“
„Ich habe mich jahrelang dafür unendlich geschämt.“ Das sagt Hanna, Chirurgin aus Sachsen. Denn sie war 10 Jahre lang in einer Ehe gefangen, in der sie sowohl körperlich als aus psychisch misshandelt wurde. „Man hat oft das Bild häusliche Gewalt, das ist irgendwie ein arbeitsloser Alkoholiker und der hat mal wieder zu viel getrunken und schlägt dann seine Frau“, erzählt sie.
Auch psychisch setzt ihr Mann sie unter Druck
„Aber so ist das nicht.“ Sie und ihr Mann sind beides Ärzte. Häufig, wenn es zum Streit kommt, schlägt er zu: „Es gab viele Situationen, wo ich an den Armen durch Festhalten, durch in die Ecke drängen, durch Bedrohen blaue Flecken hatte oder wo ich irgendwie geschlagen oder getreten worden bin.“
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Auch psychisch setzt ihr Mann sie unter Druck. Macht ständig abschätzige Kommentare über ihr Aussehen und über ihre Figur. Bis sie sich schließlich selbst fragt, ob er Recht haben könnte.
Gewalt-Anstieg im vergangenen Jahr
157.550 Fälle von Gewalt in Partnerschaften zählt das Bundeskriminalamt 2022. Das sind 432 Fälle pro Tag . Knapp 10 % mehr als im Jahr zuvor. Vor allem psychische Gewalt habe enorm zugenommen, sagt Sandra Lewey von der Opferberatung Sachsen. Eine Trennung ist oft schwierig, denn häufig reden die Täter ihren Opfern ein, sie seien selbst schuld an den körperlichen und psychischen Misshandlungen.
Schnell entstehe so eine Gewaltspirale: „Es ist einfach das, das sich das immer wiederholt. Der Übergriff, egal in welcher Form und dann eine Entschuldigung und dann geht es wieder von vorne los.“ Sieben Jahre brauchen Opfer laut Lewey im Durchschnitt, um sich aus einer solchen Beziehung zu lösen.
Hannah will anderen Frauen Mut machen
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Auch bei Hannah dauert es 10 Jahre, bis sie sich von ihrem gewalttätigen Ehemann trennt. Sie hätte ihn gerne angezeigt, doch bereits drei Monate nach der Misshandlung, ist diese meist schon verjährt. Und damals war sie noch nicht bereit dazu. Heute geht es ihr besser. Sie hofft dennoch auf eine Gesetzesänderung und möchte mit ihrer Geschichte anderen Frauen Mut machen. (fpö)