Polnische Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mord und Selbstmord

Fährendrama in der Ostsee: Was passierte in den letzten Minuten von Paulinas und Lechs Leben?

Gdynia, Poland 7th, Oct. 2015 Stena Spirit ferry belonging to Stena Line ferry lines goes to Karlskrona in Sweden. Ferry between Gdynia in Poland and Karlskrona in Sweden goes two times a day, travel takes 12 hours (Photo by Michal Fludra/NurPhoto)
Mutter und Kind starben, nachdem sie auf der Ostseefähre "Stena Spirit" über Bord gegangen waren (Archivbild)
Michal Fludra, picture alliance / NurPhoto

Was geschah wirklich auf der Ostsee, als ein siebenjähriger Junge und seine Mutter über Bord gingen?
Mutter Paulina (36) und ihr Sohn Lech konnten zwar gerettet werden, starben dann aber später im Krankenhaus. Zunächst hieß es, der Siebenjährige wäre gestürzt, seine Mutter sei hinterher gesprungen. Nun ermittelt die polnische Staatsanwaltschaft wegen „Mordes an einem Kind und des Selbstmordes der Mutter“, aber ohne einen Tatverdächtigen zu suchen: War es doch kein Unglück, sondern Absicht? Eine Augenzeugin erzählt, wie sie die beiden kurz vor dem Unglück erlebte.

Passagierin der Fähre: „Das Verhalten der Mutter hat mein Interesse geweckt“

Beata, wie die Augenzeugin im polnischen Magazin Fakt genannt wird, war wie Lech und seine Mutter Paulina auf der „Stena Spirit“, als es am Donnerstag (29. Juni) etwa auf halbem Weg zwischen dem polnischen Danzig und dem südschwedischen Karlskrona zur dem Vorfall kam. Sie behauptet, Paulina und ihren Sohn vor dem Unglück gesehen zu haben. Den Vorfall selbst habe sie allerdings nicht gesehen – da sei sie gerade in der Kantine zum Essen gewesen, berichtet sie der polnischen Zeitung Fakt.

Das Verhalten der 36-Jährigen aus Grudziądz soll aber ihr Interesse geweckt haben, da „Paulinas Körpersprache müde wirkte“. Beatas Aussagen unterstreichen die neue Theorie der polnischen Staatsanwaltschaft, dass es sich bei dem Drama auf der Ostsee um Mord und Selbstmord gehandelt haben könnte.

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Hat die Mutter die Tat tatsächlich geplant?

Am Freitag hatte bereits die schwedische Staatsanwaltschaft bekanntgegeben, dass sie Vorermittlungen zum Tatbestand Mord eingeleitet habe, aber nicht nach einem Verdächtigen suche. Zunächst hatte es geheißen, das Kind sei ins Wasser gefallen und die Mutter hinterhergesprungen. Später war in polnischen Medien auch davon die Rede, dass beide zeitgleich über Bord gegangen seien. Man habe Videoüberwachungsmaterial gesichert, das die Version, ein Kind sei über Bord gefallen und eine Erwachsene hinterhergesprungen, nicht bestätige, sagte eine Sprecherin der Reederei Stena Line dem Webportal der polnischen Boulevardzeitung Fakt.

Nach Angaben des Blattes soll die Mutter aus Grudziadz südlich von Danzig stammen und alleinerziehend gewesen sein. Laut Augenzeugen habe Sohn Lech im Rollstuhl gesessen, berichten polnische Medien.

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Augenzeugen sprechen von möglicher Behinderung des Jungen

Augenzeugin Beata bereut, nicht bei Paulina und Lech geblieben zu sein, weil die 36-Jährige so kraftlos gewirkt habe. Aber sie habe sich dagegen entschieden: Weil es sehr kalt gewesen sei, wäre sie zurück unter Deck gegangen, berichtet sie. Wegen des Rollstuhls habe sie gedacht, dass „der Junge vielleicht eine Behinderung habe.“

Der Vater von Lech soll laut Fakt keine Rolle im Leben des Jungen gespielt haben. (amp mit dpa)

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