Gesundheitsminister mit neuen Eckpunkten
Lauterbach plant "Legalisierung light": Wie die geplante Cannabis-Legalisierung jetzt ausfallen soll

Vor einem halben Jahr hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach erste Pläne für die Cannabis-Legalisierung in Deutschland vorgelegt – diese gingen offenbar zu weit. Joints oder Cannabis-Schokolade im Fachgeschäft kaufen – was in einigen US-Bundesstaaten möglich ist, kommt in Deutschland erst einmal nicht. Die geplante Cannabis-Legalisierung fällt kleiner aus und beschränkt sich auf den privaten Bereich und Vereine. Wie die die überarbeiteten Pläne von Lauterbach und Agrarminister Cem Özdemir aussehen – im Überblick.
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Cannabis-Legalisierung in Deutschland: Was sind die Pläne?
Und so sehen die Pläne zur Cannabis-Legalisierung aus, die am Mittwoch in Berlin Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) vorgestellt haben. Klar ist: Sie sind weniger weitreichend als die ursprünglichen Ampel-Pläne.
So wird es die geplanten Cannabis-Fachgeschäfte, in denen Rausch-Produkte frei verkauft werden können, zunächst nicht geben. Dies soll erst in einem zweiten Schritt und nur in einigen Modellregionen erprobt werden – mit wissenschaftlicher Begleitung. Darauf habe sich die Regierung nach Gesprächen mit der EU-Kommission geeinigt, hieß es.
Lauterbach und Özdemir verteidigten grundsätzlich die Legalisierungspläne und bekräftigten die Argumentation der Regierung, wonach mit dem Vorhaben der Schwarzmarkt zurückgedrängt und der Kriminalität der Boden entzogen werden solle. „Niemand soll mehr bei Dealern kaufen müssen, ohne zu wissen, was man sich da einhandelt“, sagte Özdemir. Lauterbach sprach von einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene „in klaren Grenzen (...) flankiert durch Präventionsmaßnahmen für Jugendliche“. Die bisherige Cannabis-Politik sei gescheitert.
Die nun präsentierten neuen Eckpunkte für das Legalisierungsvorhaben sind ein weiterer Zwischenschritt. Noch im April soll als nächstes ein erster konkreter Gesetzentwurf zur Regelung von Besitz, Eigenanbau und Vereinen – den sogenannten Cannabis-Social-Clubs – vorgelegt werden. Dieser müsste nach Abstimmung in der Regierung und Kabinettsbeschluss später noch durch Bundestag und Bundesrat. An den Eckpunkten im Einzelnen im Gesetzgebungsverfahren kann sich daran noch einiges ändern.
So sehen die Eckpunkte aus
Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis bleibt straffrei, eine solche Menge darf auch in der Öffentlichkeit mitgeführt werden.
Maximal drei „weibliche blühende Pflanzen“ sind im Eigenanbau erlaubt – geschützt vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche.
„Nicht-gewinnorientierte“ Vereine mit maximal 500 Mitgliedern dürfen gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und nur an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben. Das Mindestalter ist 18 Jahre. Die Clubs müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und dürfen nicht für sich Werbung machen. Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinen ist verboten.
Maximal dürfen pro Club-Mitglied 25 Gramm Cannabis pro Tag und maximal 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm pro Monat, zudem soll für sie eine Obergrenze beim Wirkstoffgehalt festgelegt werden. Die Kosten sollen über die Mitgliedsbeiträge gedeckt werden, gegebenenfalls kommt ein zusätzlicher Betrag je abgegebenes Gramm dazu.
In den Vereinsräumen darf nicht konsumiert werden, auch Alkoholausschank ist verboten. Zudem gilt ein Mindestabstand für die Clubs zu Schulen und Kitas.
In der Öffentlichkeit ist der Konsum nahe Schulen oder Kitas verboten. In Fußgängerzonen darf bis 20 Uhr nicht gekifft werden.
Frühere Verurteilungen wegen Besitzes oder Eigenanbaus bis 25 Gramm oder maximal drei Pflanzen können auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.
Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, müssen an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen.
In einem zweiten Schritt sollen in Kreisen und Städten mehrerer Bundesländer in Modellprojekten „kommerzielle Lieferketten“ ausprobiert werden, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften. Die Projekte werden wissenschaftlich begleitet, sind auf fünf Jahre befristet und auf die Einwohner dieser Kommunen beschränkt.
Diese zweite Säule der geplanten Legalisierung ist aber „voraussichtlich weiterhin notifizierungspflichtig“, wie es von der Bundesregierung heißt. Das bedeutet, dass wohl die EU mitreden darf und damit im Moment unklar ist, ob daraus am Ende etwas wird.
In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP noch verabredet, die „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen. Lauterbach hatte dazu bereits im Herbst Vorschläge vorgelegt. Von Anfang an gab es aber Bedenken, dass die Pläne an internationalem und EU-Recht scheitern könnten.
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Lauterbach über Cannabis-Legalisierung: "Sie kommt doch"
„Die Legalisierung von Cannabis: sie kommt doch“, schrieb Lauterbach vorab bei Twitter. Fachpolitiker der Koalition zeigten sich dennoch froh, dass sich nun etwas bewegt. „Ein verspätetes Osterei liegt im Hanfnest!“, twitterte die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther. „Endlich!“, schrieb die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Kristine Lütke. Sie sei „sehr gespannt“.
Probleme bei der Umsetzung
Doch die Materie ist rechtlich schwierig: Von Anfang an gab es Bedenken, dass das Ampel-Vorhaben an internationalem und EU-Recht scheitern könnte oder davon ausgebremst wird. So haben sich die Staaten des Schengen-Raums beispielsweise im „Schengener Durchführungsübereinkommen“ dazu verpflichtet, „die unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln aller Art einschließlich Cannabis-Produkten sowie den Verkauf, die Verschaffung und die Abgabe dieser Mittel mit verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden“.
Lauterbach hatte Mitte März zwar gesagt, er habe von der EU-Kommission sehr gute Rückmeldungen zu dem Vorhaben bekommen. Aber auch der SPD-Parteivorstand kam kürzlich zu dem Schluss: „Eine umfassende Legalisierung ist aus europarechtlichen Gründen offensichtlich kurzfristig nicht umsetzbar.“
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Cannabis-Wirtschaft hofft auf Legalisierung
In der Cannabis-Wirtschaft hofft man seit langem auf einen Boom durch eine mögliche Legalisierung in Deutschland: Von Herstellern von Cannabisöl-Verdampfern über Firmen, die sich auf Saatgut und Gewächshausbeleuchtung spezialisiert haben bis hin zu Herstellern von Arzneimitteln auf Cannabis-Basis hoffen viele auf gute Geschäfte.
Die Erwartungen an diesen Mittwoch waren vorab eher verhalten: Man müsse zunächst die Details der Ampel-Pläne auswerten und sehen, ob damit Investitionsentscheidungen möglich würden und der Schwarzmarkt spürbar zurückgedrängt werden könne, sagte Jürgen Neumeyer, vom Branchenverband der Cannabiswirtschaft der dpa. (jaw/dpa)
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