Sinan (16) in Bramsche von Nachbarn erschossen
Angeklagter Guiseppe del B. (82) vor Gericht: „Die wollen mich umbringen"

„Ich habe das getan, ich stehe dafür gerade ... Aber: Da bin ich nicht allein dran schuld.“
Zeugen hätten gelogen, die Polizei hätte versagt und das Opfer Sinan F. sei rassistisch erzogen worden. Es ist eine wirre Geschichte, die Guiseppe del B. am Dienstag vor dem Landgericht Osnabrück erzählt. Der 82-jährige Angeklagte meldet sich im Prozess erstmals zu Wort.
Ohrenarzt soll Anzeichen für Tinitus erkannt haben
Lächelnd betritt Giuseepe del B. den Gerichtsaal. Er äußert sich heute (10.10. )umfassend - gibt zu, die tödlichen Schüsse auf den Teenager abgefeuert zu haben. Für den Angeklagten sei klar: Sinan und seinen Mutter Sanella F. wollten ihn mit Lärm provozieren. Sinan sei rassistisch erzogen worden, hätte bei Kontakten vor dem Haus nur auf den Boden geguckt. „So einen frechen Bengel habe ich noch nie kennengelernt“, urteilt del B. über das Opfer.
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Der Lärm aus der Wohnung seiner Nachbarn sollen Motorengeräusche wie von einem Motorrad gewesen sein. Auch in seiner vorherigen Wohnung in Rieste soll es Lärm gegeben haben, doch das seien andere Geräusche gewesen. Er habe mit Ohropacks und Ohrschützern gleichzeitig geschlafen, erzählt der 82-Jährige vor Gericht. Ein Ohrenarzt habe ihn untersucht und wohl Anzeichen für einen Tinitus erkannt. Viermal ruft Guiseppe del B. bei der Polizei Bramsche wegen der angeblichen Lärmbelästigung an. Unternommen hätten die Beamten aber nichts, erklärt der Angeklagte bei seiner Vernehmung vor Gericht. Sie hätten nicht mal mit Sinan und seiner Mutter Sanella F. gesprochen.
Im Video: Für Sanella F. ist die Tat unbegreiflich
Richter: „Warum schießen Sie mit einer scharfen Waffe auf den Jungen?"
Das habe der 82-Jährige dann selbst getan. Das Opfer und dessen Mutter hätten von der Bluthochdruckerkrankung des 82-Jährigen gewusst und hätten es auf ihn abgesehen. „Die wollen mich umbringen“, erklärt er im Prozess. An seiner Wohnungstür hätte del B. die Frau mit diesem Vorwurf konfrontiert, es sei zum Streit gekommen. Sanella F. will nichts von dem Lärm gewusst haben.
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Gegenüber dem Richter behauptet der 82-Jährige, die Tat aus Angst begangen zu haben. Der Angeklagte meint sich zu erinnern, dass Sinan F. ihm gedroht hätte: „Wir machen dich fertig. Wir bringen dich um.“ Wann der Schüler das gesagt haben soll, wisse del B. nicht mehr. Am Tattag soll Sinan in seinen Rucksack gegriffen haben, da habe der Angeklagte Angst bekommen.
Angeklagte hört noch immer Stimmen
Der Angeklagte sagt vor Gericht, dass er noch immer Stimmen höre. „Die Stimme, die er nun hört, ist eine Art Konversation. Die Stimme spricht mit ihm und sagt wann er auf Toilette gehen soll und auch im Gericht heute, ob er was gut gemacht hat oder nicht so gut.", sagt Christoph Willinghöfer vom Landgericht Osnabrück im Gespräch mit RTL.
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Aufgrund des gesamten Eindrucks des Angeklagten wurde ein forensisch-psychiatrisches Gutachten zur Schuldfähigkeit und Einsichtsfähigkeit beauftragt. Wie sich das Gutachten auf das Urteil auswirkt, ist noch nicht bekannt. Anfang November soll das Urteil fallen. Sollte der Angeklagte wegen Mordes an Sinan verurteilt werden, droht ihm eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Schüsse in Bramsche: 16-Jähriger stirbt im Krankenhaus
Im Februar macht Sinan sich morgens auf den Weg zur Schule. Es steht eine Englischklausur an, für die er viel gelernt haben soll. Doch vor der Tür des Mehrfamilienhauses soll ihm plötzlich Guiseppe del B. mit einer Schusswaffe aufgelauert haben. Dann soll der Rentner Sinan mit mehreren Schüssen niedergestreckt haben – einer davon trifft den Schüler in den Kopf. Ein weiterer geht in die Hand des Jungen, als er diese schützend vors Gesicht zu halten versuchte. Der 16-Jährige stirbt einen Tag später im Krankenhaus an schweren Hirnverletzungen. Beim Versuch, sich mit seiner Pistole selbst zu töten, erlitt der Senior keine lebensgefährlichen Verletzungen. Der 82-Jährige besitzt die Waffe, weil er Sportschütze war.