Was hinter dem "unsichtbaren Tumor" steckt
Blind durch Schwangerschaft? Mutter erhält Schock-Diagnose
Es war dieser eine Moment, der pure Panik auslöste: Mitten in ihrer Schwangerschaft wacht die 36-jährige Amy Bridson aus Chester, Großbritannien, auf und kann nichts mehr sehen, über Nacht ist sie erblindet – ein Zustand, der drei Tage anhält. Der Auslöser ist eine äußerst seltene Krankheit namens Idiopathische Intrakranielle Hypertension (IIH). Wie Amy diesen Moment erlebte, warum es beim Kaiserschnitt erneut zu einer Erblindung kam und ob die Ärzte ihr Sehvermögen retten konnten, erfahren Sie im Video.
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Was steckt hinter einer Idiopathischen Intrakraniellen Hypertension? Wodurch wird sie ausgelöst und wie hängt das Krankheitsbild mit der Schwangerschaft zusammen? Diese und weitere wichtige Fragen beantwortet Arzt und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht im RTL-Interview.
Idiopathische Intrakranielle Hypertension: Man nennt es auch den Pseudo-Hirntumor
Drei Worte, die einen zunächst mit einigen Fragezeichen zurücklassen: Idiopathische Intrakranielle Hypertension. Zusammenfassen lässt sich diese Krankheit folgendermaßen: „Es sind die gleichen Symptome wie bei einem Hirntumor, es liegt aber keiner vor. Die Symptome werden ausgelöst durch eine Drucksteigerung im Hirn, von der man nicht weiß, woher sie kommt“, erklärt Dr. Christoph Specht, Arzt und Medizinjournalist, im RTL-Interview.
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Ein anderer Begriff für diese Krankheit sei „Pseudo-Tumor“, da IIH ähnliche Symptome mit sich bringe wie ein Hirntumor, ohne einer zu sein. Dazu gehören laut Experte Schwindel, Erbrechen, Gleichgewichtsstörungen und eben die Beeinträchtigung des Sehvermögens.
Eines Zusammenhangs zwischen der Krankheit und einer Schwangerschaft sei man sich heute sicher: „Man weiß zwar nicht, woher es kommt, Schwangerschaft ist aber ein Risikofaktor, das weiß man“, so Specht. Man nehme an, dass es an den Hormonen liege, die der Körper während einer Schwangerschaft produziert. Warum im Fall von Amy Bridson jedoch unter dem Kaiserschnitt erneut das Augenlicht verschwand, kann Dr. Specht nicht sagen. Dass dies in direktem Zusammenhang mit dem Kaiserschnitt stehe, hält der Experte eher für unwahrscheinlich.
Die Steigerung des Hirndrucks führt dazu, dass das Hirngewebe gequetscht wird. „Es kann kein Druck entweichen, da Knochenstruktur drum herum ist. Die Folge: Die Hirnfunktion geht kaputt.“ Oder wie im Fall von Amy Bridson: Der Sehsinn geht zeitweise verloren, da die Raumforderung, die die Hirndrucksteigerung zur Folge hat, auf den entsprechenden Nerv drückt.
In einem solchen Fall helfe nur eins: „Man muss den Druck mindern.“ Das könne entweder medikamentös durch ein Ablassen des Hirnwasser mittels Rückenmarkspunktion oder in letzter Instanz durch eine Operation am Gehirn passieren – eine sogenannte Trepanation, bei der der Schädel geöffnet wird.
Medizinisches Rätselraten: "Man weiß nicht, woher es kommt"
Da es sich um eine idiopathische Krankheit handele – also um eine, bei der man nicht weiß, woher sie kommt – könne man auch nicht sagen, welche Vorerkrankungen oder Faktoren das Auftreten von IIH begünstige. Allerdings sei Übergewicht ein wichtiger Faktor, der besonders in Verbindung mit einer Schwangerschaft als bekanntes Risiko gelte. Doch auch diverse chemische Stoffe sowie operative Eingriffe oder Unfälle könnten das Auftreten begünstigen, erklärt Dr. Specht im RTL-Interview. Auch Veranlagung könne eine Rolle spielen.
Die Idiopathische Intrakranielle Hypertension komme nur selten vor, ungefähr ein bis 20 Fälle pro 100.000 Einwohner. „Das ist natürlich eine große Spanne. Die Krankheit ist selten, aber der springende Punkt ist: Wenn sie auftaucht, wird sie häufig verkannt, also nicht gesehen und nicht richtig diagnostiziert.“ Dabei sei es enorm wichtig, bei den genannten Symptomen an eine IIH zu denken, dafür sollten Ärzte sensibilisiert werden. Denn: Durch die klassischen Untersuchungsmethoden – beispielsweise durch ein MRT – sei eine Hypertension nicht zu erkennen, nur durch das Messen des Hirndrucks könne sie festgestellt werden. „Als Patient und auch als Arzt wird man verrückt, wenn das plötzlich passiert, wenn man plötzlich erblindet“, weiß der Mediziner.
Sei eine IIH einmal aufgetreten, könne sie sich wieder regulieren, aber auch ein Wiederauftreten sei möglich. Eine endgültige Aussage dazu könne man nicht treffen. „Wenn es geringfügig ist, dann geht es auch wieder weg. Wenn aber Symptome wie Erblindungserscheinungen hinzukommen, ist klar, dass da etwas nicht in Ordnung ist.“
Da es sich bei der Idiopathischen Intrakraniellen Hypertension um ein Rätsel in der Medizin handelt, kann Dr. Specht auch keine Maßnahmen nennen, die gezielt vorbeugen könnten. Dennoch gelte: Gewichtsreduktion bei Übergewicht sei sinnvoll sowie all das, was eine gesunde Lebensführung generell vorgebe. Prophylaktische Medikamenteneinnahme käme jedoch keinesfalls infrage. (jbü)
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