Achtjährige sah nie die Außenwelt
Kind jahrelang in Haus gesperrt: Bruder der Mutter enttarnte Lüge und schlug Alarm
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von Klaus Felder, Christina Hecking und Sebastian Stöckmann
Ein Mädchen aus dem Sauerland sah nie einen Spielplatz, ging nie in den Zoo, traf nie Freunde. Eine Kindheit hatte die Achtjährige nicht. Mutter und Großeltern sperrten sie knapp sieben Jahre lang in ein Haus in Attendorn (Nordrhein-Westfalen) ein. Der Fall kam nach RTL-Informationen ans Licht, weil der Bruder der Kindsmutter misstrauisch wurde und Alarm schlug.
Kind in Attendorn eingesperrt: Vom Vater nach Italien geschickte Pakete kamen zurück
Laut Staatsanwaltschaft hatte die Mutter bei den Behörden seinerzeit angegeben, sie ziehe mit ihrem Kind zu Verwandten nach Italien. Der von der Familie getrennt lebende Vater des Mädchens gab dem Jugendamt immer wieder Hinweise, dass daran etwas nicht stimmen könne, erfuhr RTL-Reporter Klaus Felder. So seien häufig Pakete für seine Tochter zurückgekommen, die er an die italienische Adresse verschickt hatte. Außerdem habe er die Mutter des Mädchens mehrfach in Attendorn gesehen.
Als ein Bruder der Frau seine Verwandten in Italien besuchte, traf er dort weder auf seine Schwester noch auf das Kind. Er ging zur Polizei – die von ihren italienischen Kollegen erfuhr, dass die Mutter und das Mädchen tatsächlich nie dort gelebt hatten.
Attendorn: Mädchen kam Ermittlern auf der Treppe entgegen
Polizei und Jugendamt versuchten zunächst, Zutritt zum Haus in Attendorn zu bekommen, doch die Eltern der Mutter ließen sie nicht rein. Dort lebte auch ein weiterer Bruder der Kindsmutter; er starb im Oktober an einer schweren Krankheit. Als die Behörden das Haus per Durchsuchungsbefehl im September betreten konnten, kam ihnen die Achtjährige nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf der Treppe entgegen.
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Mädchen aus Attendorn durfte Haus wohl nie verlassen
Die Hintergründe des Falls sind noch unklar. Die Siegener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Mutter des Kindes und die Großeltern. „Wir ermitteln wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung und der Misshandlung von Schutzbefohlenen.“ Man gehe davon aus, dass sie dem Kind nicht ermöglicht hätten, "am Leben teilzunehmen", sagte ein Sprecher: nicht am Kindergarten und nicht an der Schule. Das Mädchen habe auch nicht mit anderen Kindern spielen und das Haus nicht verlassen dürfen. Nicht einmal die Nachbarn hätten gewusst, dass Mutter und Kind dort lebten.
Die Achtjährige ist derzeit in einer Pflegefamilie untergebracht. Hinweise auf eine körperliche Misshandlung oder Unterernährung gibt es nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht. Mutter und Großeltern haben sich noch nicht geäußert: Sie machen von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch.