Jede vierte Frau im Vereinigten Königreich hat Probleme, sich Binden oder Tampons zu leisten

"Ich muss mich entscheiden: Essen oder Binden?"

"Dann muss ich mich entscheiden: Essen oder Binden" Periodenarmut nimmt in Großbritannien zu
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Periodenarmut nimmt in Großbritannien zu
"Dann muss ich mich entscheiden: Essen oder Binden"

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von Katharina Delling

Im Vereinigten Königreich sind die Lebenshaltungskosten gerade so hoch, wie seit 40 Jahren nicht mehr. Die Preise für Strom, Gas und Lebensmittel schießen durch die Decke. Inzwischen ist es so schlimm, dass immer mehr Frauen und Mädchen sich keine Tampons und Binden leisten können.

Gestartet hat sie in Kenia, heute wird sie auch in Großbritannien gebraucht.
Bettina Leslie hat 2016 Freedom4Girls gegründet, um Frauen und Mädchen kostenlosen Zugang zu Menstruationsprodukten zu verschaffen.
RTL

Zeitungspapier um das Blut aufzufangen

So geht es auch Hawa Bah aus Leeds, im Norden von England. Sie hat einen Job im Krankenhaus und trotzdem reicht das Geld oft nicht mehr für Binden. „Wenn ich keine mehr übrig habe, muss ich mich entscheiden: Essen oder Binden? Oft entscheide ich mich für das Essen und muss dann kreativ werden und Zeitungspapier, Toilettenpapier oder Taschentücher benutzen, um Geld zu sparen“, erzählt sie im RTL-Interview. Schon in den ersten drei Monaten in 2022 sind Umfragen zufolge 78 Prozent mehr Frauen zu Tafeln gegangen, um kostenlose Menstruationsprodukte zu bekommen.

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"Es ist, als wären wir ein Entwicklungsland"

Bettina Leslie hat 2016 die Organisation Freedom4Girls gegründet. Eigentlich, um Frauen und Mädchen in Kenia kostenlose Menstruationsprodukte zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile wird sie aber immer mehr in Großbritannien gebraucht. Denn während zuvor Obdachlose, Asylbewerberinnen und Sozialhilfeempfängerinnen ihr Angebot in Anspruch genommen haben, sind es jetzt zunehmend Menschen mit Job.

„Ich sehe hier ähnliche Dinge, wie in Afrika damals. Da haben Menschen zum Beispiel Teile ihrer Matratzen benutzt. Hier nehmen viele das Innere ihrer Kissen – es ist, als wären wir ein Entwicklungsland“.

Freedom4Girls finanziert sich durch Spenden. Das hat bisher immer gut funktioniert. Seit die Lebenshaltungskosten aber so stark angestiegen sind, müssen Bettina Leslie und ihre Helferinnen immer mehr Produkte selbst dazu kaufen. Das liegt auch daran, weil nicht nur Tafeln, Organisationen und Privatpersonen auf sie zukommen, sondern auch viele Unternehmen.

„Wir stellen fest, dass immer mehr Unternehmen uns bitten, Produkte für ihre Angestellten zu liefern. Die Unternehmen verdienen ihr Geld mit den Arbeitnehmern, und wir sind eine Wohltätigkeitsorganisation, warum versorgen die ihre Mitarbeiterinnen nicht mit diesen Produkten, so wie sie Männer mit Toilettenpapier und Seife versorgen? Es muss ein Umdenken stattfinden, wir müssen uns um unsere Mitarbeiter kümmern“, sagt Bettina Leslie.

Helferinnen wollen, dass die Periode kein Tabuthema mehr ist

Bettina Leslie und ihre Helferinnen wissen, dass das Stigma rund um die Periode immer noch ein großes Problem ist. Viele Frauen und Mädchen schämen sich, nach Menstruationsprodukten zu fragen oder überhaupt darüber zu sprechen.

„Und vor allem, wenn man zu einer Tafel geht und danach fragen muss, ist es den Leuten so peinlich. Wenn ich dort arbeite und eine Frau kommt, um etwas zu Essen zu bekommen, gebe ich ihr immer auch Tampons, ohne dass sie fragen muss“, so Leslie.

Damit die Periode besonders unter jungen Menschen hoffentlich bald kein Tabuthema mehr ist, sprechen die Freiwilligen von Freedom4Girls auch viel mit Teenagern darüber. „Es ist anders für Frauen, als für Männer. Die Periode kommt nun mal jeden Monat für uns, ob wir es wollen oder nicht und wir können es nicht kontrollieren“, so Maureen Jones von Freedom4Girls.

Lese-Tipp: Tampons für alle: Schottisches Gesetz gegen Periodenarmut

Von König Charles ausgezeichnet

Für ihre großartige Arbeit hat Bettina Leslie jetzt einen Orden von König Charles III bekommen. Während sie sich über diese Auszeichnung freut, hofft sie gleichzeitig, dass sie ihrer Organisation mehr Aufmerksamkeit verschafft und so große Firmen und auch sie britische Regierung sie unterstützen. Damit Menschen wie Hawa Bah in Zukunft nicht mehr zwischen Essen und Binden oder Tampons wählen müssen.

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