Ortskräfte in Afghanistan offenbar in Lebensgefahr

Journalisten & NATO-Mitarbeiter in tödlicher Gefahr? Die geheime Fahndungsliste der Taliban

Journalisten und Helfern von NATO-Truppen droht in Afghanistan ein schreckliches Schicksal: Die Taliban suchen offenbar gezielt nach ihnen sowie weiteren Afghanen, die mit den westlichen Ländern kooperiert haben. Den Gesuchten drohen Folter und Hinrichtungen – obwohl sich die Taliban in der Öffentlichkeit als gemäßigte Machthaber darstellen.

NATO-Helfern drohen in Afghanistan "Folter und Hinrichtungen“

In einem geheimen Dokument, das der Nachrichtenagentur „AFP“ vorliegt, ist die Rede von „Prioritätenlisten“ der Taliban. Auf diesen Listen sollen Namen von Menschen stehen, die die radikal-religiöse Miliz festnehmen will. Personen, die eine zentrale Rolle im afghanischen Militär, in der Polizei oder im Geheimdienst gespielt haben, sind demnach besonders gefährdet.

"Die Taliban intensivieren die Jagd auf alle Personen und Kollaborateure des früheren Regimes und falls sie erfolglos sind, nehmen sie die Familien ins Visier, verhaften sie und bestrafen sie nach ihrer eigenen Auslegung der Scharia“, heißt es in dem Bericht. Die Miliz suche gezielt nach den Häusern von Zielpersonen und deren Familien.

Diese Einschätzung geht auf das norwegische Zentrum für globale Analysen zurück. Die skandinavische NGO fertigt Lageeinschätzungen für zahlreiche UN-Agenturen an. Afghanen, die mit Truppen der NATO kooperiert haben, drohten nun „Folter und Hinrichtungen“, erklärt Christian Nellemann, der Leiter des Instituts. Auch ihre Familien seien in großer Gefahr.

Taliban führen "organisierte Suche nach Journalisten durch"

Besonders gefährdet sind in Afghanistan auch Journalisten. Die „Deutsche Welle“ berichtete am Donnerstag, dass die Familie eines ihrer Redakteure von den Taliban angegriffen worden sei. Dabei kam ein Verwandter des Reporters ums Leben, ein weiterer wurde schwer verletzt.

Die Taliban hätten gezielt nach Verwandten des in Deutschland arbeitenden Journalisten gesucht. Andere Angehörige konnten demnach nur haarscharf entkommen und befinden sich nun auf der Flucht. "Die Taliban führen in Kabul und auch in den Provinzen offenbar schon eine organisierte Suche nach Journalisten durch“, warnt Peter Limburg, der Intendant der „Deutschen Welle“. „Die Zeit läuft uns davon!"

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Taliban kontrollieren Zugänge zum Flughafen Kabul

Öffentlich hatten sich die Taliban nach der faktischen Machtübernahme in Afghanistan bislang weitgehend gemäßigt präsentiert. Sie planten keine Vergeltungsmaßnahmen, so die Miliz. Menschen, die das Land verlassen wollen, dürften dies tun. Auch Frauen hätten unter ihrer Herrschaft keine Unterdrückung zu fürchten, erklärten die Taliban.

Dass diese Darstellungen der Wahrheit entsprechen, wird in großen Teilen Afghanistans sowie im Ausland allerdings stark angezweifelt. Zahlreiche Länder, darunter auch Deutschland, versuchen nach wie vor eigene Staatsbürger und Ortskräfte aus Afghanistan zu evakuieren. Die Taliban kontrollieren jedoch die Zugänge zum Flughafen in Kabul und lassen afghanische Staatsbürger nicht passieren. (jda)