Wird bald die ganze Partei beobachtet?
Bericht: Verfassungsschutz sieht weitere Radikalisierung der AfD

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sieht zahlreiche Belege für eine weitere Radikalisierung der AfD. Das berichten WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ (SZ). Diese Belege sollen „die Rechtmäßigkeit einer Verdachtsfalleinstufung der Gesamtpartei“ belegen. Aktuell ist die AfD als so genannter Prüffall eingestuft, darf also nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden.
Nachrichtendienstliche Beobachtung
Diese Belege sollen aus der nachrichtendienstliche Beobachtung des als besonders radikal geltenden „Flügels“ und der Jugendorganisation „Jungen Alternative“ stammen. Formal war der „Flügel“ um AfD-Rechtsaußen Björn Höcke zwar aufgelöst worden, doch der Einfluss dieser Strömung in der Partei ist nach wie vor groß. Vertreter des Flügels seien in der Partei mächtiger geworden und hätten immer wieder bei Abstimmungen Stärke gezeigt, berichtet der Rechercheverbund weiter. In mehreren ostdeutschen Landesverbänden seien ehemalige Funktionäre des Flügels bis heute in der AfD dominierend.
Auch die Auswertung öffentlicher Äußerungen auf Ebene der Gesamtpartei stütze die Einschätzung einer Radikalisierung. In einem 37-Seiten umfassenden Schriftsatz stellt der Geheimdienst laut einer Mitteilung des WDR zahlreiche Äußerungen heraus. Sie sollen nach Einschätzung des Amtes belegen, dass sich auch die Gesamtpartei in Richtung des Rechtsextremismus entwickelt.
AfD widerspricht
Die AfD wirft dem Verfassungsschutz „schwerwiegende inhaltliche, systematische und dogmatische Fehler“ vor. Gerade in Bezug auf die Einstufung der Gesamtpartei fehle es „an jedwedem Vortrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz, warum einzelne Aussagen einzelner Personen für den gesamten Bundesverband ... Relevanz haben sollen“, teilte ein Sprecher auf Anfrage der berichtenden Medien mit.
Viele der Beispiele, die das Amt heranziehe, beträfen aus Sicht der AfD „unproblematische Äußerungen, die gleichwohl dem politisch instrumentalisierten Bundesamt für Verfassungsschutz als Argumentationsgrundlage dienen", heißt es in der Stellungnahme der Partei.
Um diese Äußerungen geht es
Insgesamt führt der Verfassungsschutz laut dem Bericht Aussagen von 40 AfD-Funktionären an, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen sollen.
Hans-Thomas Tillschneider etwa, AfD-Landtagsabegordneter in Sachsen-Anhalt, postete auf Facebook Corona-Verschwörungstheorien: „Ich kann mir übrigens auch durchaus vorstellen, dass hinter der Corona-Politik eine Elite steht, die eine neue Weltordnung schaffen will!"
Der baden-württembergischen Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz taucht in den Schriftstücken auf. Auf Facebook schrieb er, dass er Vertreter des „ganzen Deutschen Volkes“ sei. „Integrierte Migranten – also keine Özils, die sich weiter als Türken sehen – gehören selbstverständlich auch dazu. Reine Passdeutsche formal auch – leider.“ Für den Verfassungsschutz ein klares Zeichen: Die deutsche Staatsbürgerschaft sei offenbar nach Seitz´ Ansicht nicht entscheidend für die Zugehörigkeit zum deutschen Volk.
Entscheidung wohl nicht vor März
Die Schriftsätze sind Teil einer Auseinandersetzung, die bereits seit Monaten zwischen der AfD und dem Inlandsgeheimdienst besteht. Der Verfassungsschutz darf die AfD bis zu einer gerichtlichen Entscheidung nicht als Verdachtsfall behandeln.
Das Gericht erklärte damals, vor der Bundestagswahl keine Entscheidung mehr treffen zu wollen: „Dies gebiete der Respekt vor der Entscheidung der Wähler.“ Das Gericht will sich Anfang März damit befassen.
Das plant die AfD jetzt
Die Schriftsätze sollen der AfD bereits vorliegen und dort aktuell von einer internen Arbeitsgruppe ausgewertet werden, berichten WDR, NDR und SZ weiter. Demnach sollen Konsequenzen gegen mehrere Funktionäre geprüft werden, um eine Hochstufung der Gesamtpartei noch zu verhindern.
Auch der Parteivorstand soll den Medien zufolge beschlossen haben, eine Liste derjenigen Personen zu erstellen, die immer wieder in Gutachten des Verfassungsschutzes erwähnt werden. Ihnen könnten Maßnahmen bis hin zum Parteiausschluss drohen, heißt es aus Vorstandskreisen. (rcl, Grundlage: Bericht von wdr/ndr/sz)
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