Religiöses Mega-Spektakel
Faszination Papst-Wahl! Psychologe erklärt, warum das Konklave selbst Kritiker in den Bann zieht

Zwei Tage und vier Wahlgänge ...
... so lange dauerte es dieses Mal, bis sich die Kardinäle im Konklave für einen neuen Papst entschieden hatten. In dieser Zeit versammelten sich nicht nur zahlreiche Menschen vor dem Petersdom, sondern weltweit auch vor Fernsehgeräten und anderen Medien, um das Geschehen zu verfolgen. Selbst solche, die der Kirche ansonsten eher kritisch gegenüberstehen. Warum? Wir haben mit Psychologe Michael Thiel über die Faszination Papst-Wahl gesprochen.
Dabei sein ist alles! Papst-Wahl zieht auch Ungläubige an
Die Kirche steht seit geraumer Zeit in der Kritik. Die Anzahl der Kirchenaustritte lag im Jahr 2024 bei 321.611. Dennoch: Die Papst-Wahl verfolgten am Mittwoch und Donnerstag (7. und 8. Mai) auch viele von denen, die der Kirche in den letzten Jahren den Rücken zugewandt oder solche, die sich der Kirche noch nie verbunden gefühlt hatten.
Für Diplom-Psychologe Michael Thiel liegt das insbesondere an fünf Gründen.
Als ersten nennt er, dass die Papst-Wahl medial in großem Stil begleitet wird. „Große mediale Ereignisse schaffen ein Gefühl von kollektiver Teilnahme – ähnlich wie bei einer Königskrönung, Olympischen Spielen oder einer Monarchiehochzeit.” Das „Dabeisein“ erzeuge ein Zugehörigkeitsgefühl – „unabhängig von der religiösen Überzeugung”.
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Uralt, geheimnisvoll und hochritualisiert
Hinzu komme, die Symbolik dieses Ereignisses. Menschen seien von uralten Ritualen und symbolischen Handlungen tief beeindruckt, erklärt der Experte. „Die Papstwahl ist ein hochritualisierter Vorgang, der sich seit Jahrhunderten kaum verändert hat.”
Aber auch das Bedürfnis nach Sicherheit, Orientierung und moralischer Autorität, das den Menschen innewohnt, trage zu der Faszination bei. „Die Wahl eines Papstes – als geistliches Oberhaupt von Milliarden von Menschen – kann symbolisch als die ‘Suche nach einem weisen Führer’ gedeutet werden, der in unübersichtlichen Zeiten Halt gibt”, erklärt Thiel.
Historische Momente wie die Papst-Wahl haben Seltenheitswert
Wer wird es? Wie sieht er aus? Was sagt er als Erstes? Fragen über Fragen, über die im Verlauf der Papst-Wahl spekuliert wurde. Auch das, diese Neugier, befeuere das Interesse zusätzlich, weiß Psychologe Thiel. Denn: „Menschen interessieren sich für Geschichten, Gesichter und persönliche Schicksale.”
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Zu guter Letzt erklärt Michael Thiel: „Historische Momente üben immer eine besondere Faszination aus – man möchte dabei gewesen sein, wenn ‘Geschichte geschrieben’ wird.” Und ja, eine Papst-Wahl hat historischen Charakter. Manche Menschen erleben nur eine oder vielleicht zwei in ihrem Leben.
Sind einmal alle Fragen rund um den neuen Papst geklärt, wird das Interesse aller Wahrscheinlichkeit nach ganz schnell wieder auf das Maß von vor der Wahl zurückgehen. Aber erst einmal muss der Wissensdurst und die Neugier der Menschen gestillt werden.