Mutter im emotionalen RTL-Interview

„Ich will einfach nur mein Kind wieder haben!” Aaron (9) ist nach vermeintlicher Erkältung in seinem Körper gefangen

Nach einer vermeintlichen Erkältung sitzt Aaron Carl (9) im Rollstuhl.
Nach einer vermeintlichen Erkältung sitzt Aaron Carl (9) im Rollstuhl. Im RTL-Interview erzählt seine Mutter Melina, was sie sich jetzt wünscht.
Melina Carl / privat
von Vera Dünnwald

Er ist ein Pflegefall. Und das, obwohl er doch nur vermeintlich harmlose Erkältungssymptome hatte.
Mutter Melina Carl aus Duisburg durchlebt seit einem halben Jahr die Hölle: Ihr Sohn Aaron (9) kann nach einer Hirnhautentzündung und mehreren kleinen Schlaganfällen nichts mehr. Weder sprechen noch gehen - gar nichts. Uns hat sie erzählt, was sie sich jetzt wünscht.

Kurz vor Weihnachten schlägt das Schicksal zu

Im Dezember 2023 geht es dem neunjährigem Aaron plötzlich schlecht. Mutter Melina Carl erzählt im RTL-Interview: „Es fing ganz normal mit Erkältungssymptomen an, er sagte dauernd: ‘Mama, ich habe Kopfschmerzen’. Wir waren beim Kinderarzt, da wirkte noch alles harmlos. Dann verschlechterte sich sein Zustand aber, sodass ich abends, gegen 23 Uhr, den Rettungswagen rufen musste.”

Die Situation scheint auf den ersten Blick in Ordnung: „Aaron hat noch mit den Leuten gesprochen und seinen Fiebersaft getrunken. Die Sanitäter haben gesagt, er hätte einen Infekt, und wenn es ihm morgen nicht besser gehe, sollen wir nochmal zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen.”

Heißt: Aaron wird nicht ins Krankenhaus gebracht, die Mitarbeiter nehmen das Kind nicht mit. Sechs Stunden später wird Aaron jedoch zum Notfall.

„Von da an ging alles bergab. Ich darf mich nicht mehr fragen, was gewesen wäre, wenn diese sechs Stunden nicht gewesen wären”, so die 35-Jährige.

Denn was jetzt auf sie zukommen wird, damit hat die dreifache Mutter vermutlich nicht gerechnet.

Schockdiagnose Meningitis - Aaron muss über Weihnachten im Krankenhaus bleiben

Im Krankenhaus angekommen, werden Tests und Untersuchungen durchgeführt. Carl sagt: „Weihnachten haben wir in der Uniklinik in Essen verbracht.” Nach einer ersten Operation und einem MRT stellen die Ärzte fest: Aaron hat keine normale Erkältung, sondern eine Hirnhautentzündung, eine Meningitis. Und zwar nicht die harmlosere, virale Variante - sondern die gefährlichere, bakterielle. Schnell habe sich herausgestellt, so Carl, dass die Infektion bereits Schäden an Aarons Hirn hinterlassen hat.

Lese-Tipp: Meningitis - bei diesen Warnsignalen solltet ihr hellhörig werden

Trotzdem stehen die Zeichen zunächst auf Heilung: „Es hat dann zwei Tage gedauert, bis Aaron aus der Narkose herauskam, aber es ging ihm danach den Umständen entsprechend gut. Er konnte uns sehen, mit uns sprechen, ein bisschen was essen, sodass wir auch wieder auf die Normalstation verlegt wurden.”

Dann kommen die Anfälle und die Hirnschläge. Und die sollen das Leben der Familie Carl nachhaltig verändern.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Im Video: Was ist eine Meningitis?

Hirnschläge und Schlaganfälle verändern das Leben der Familie Carl grundlegend

„Das hat niemand kommen sehen. Wir hatten eigentlich einen richtig guten Tag, Aaron war nach der Zeit stabil, ihm ging es gut”, sagt seine Mutter.

Aber: Am 29. Dezember bekommt der Junge einen Anfall. Hirnschläge und mehrere kleine Schlaganfälle verschlimmern seine Situation so gravierend, dass der Neunjährige seitdem nichts mehr kann: Er könne sich nicht mehr kontrollieren, erzählt Carl, nicht mehr sprechen, nicht mehr laufen oder sich irgendwie bewegen. Hinzu komme eine einseitige Lähmung der Körperhälfte, eine Hemiparese.

Carl, die als examinierte Altenpflegerin arbeitet, ist sich sicher: „Wäre das nicht passiert, wer weiß, wie es ihm heute gehen würde. Hätten wir diesen Rückfall nicht gehabt, wären wir vielleicht mit einem blauen Auge davon gekommen.”

Seitdem folgt für die Duisburger Familie eine Ärzte- und Reha-Odyssee, „um weiterzukommen”. Das ist Carls großes Ziel: „Ich versuche, mein Kind irgendwie wieder herumzureißen, dass das mit dem Laufen wieder klappt, dass das Sprechen wiederkommt und dass er wieder eigenständig essen und trinken kann. Dafür kämpfe ich jeden Tag, mit Aaron zusammen. Er versucht es auch immer wieder, er gibt sich so viel Mühe. Aber es klappt einfach nicht so wie er will. Er will sprechen! Doch es kommt kein Ton raus.

Sie geht davon aus, dass ihr Kind ganz viel verstehe und das Geschehen um ihn herum wahrnehme. „Aber er kann sich nicht mitteilen. Es ist, als ob er in seinem Körper gefangen ist.”

Die 35-Jährige hofft, dass sich neue Bahnen im Kopf beziehungsweise „neue Brücken und Verknüpfungen” im Hirn bilden. „Aaron ist doch noch so jung, das Hirn ist ja noch gar nicht ausgereift. Daher hoffe ich auf ein Wunder, dass er wenigstens wieder ein bisschen am Leben teilnehmen kann.”

Lese-Tipp: Kind an Meningitis gestorben - Mutter Karolina: „Ich würde Ärzten nicht mehr blind vertrauen!”

Mutter Melina Carls Appell: „Denkt an Aaron, wenn ein Kind auffällig ist, nehmt es einfach mit!”

Seit sie ihr Kind so krank sieht, wünscht sich Melina Carl neben Aarons Genesung vor allem eines: mehr Aufklärung und Sensibilisierung. „Ich habe schon zu den Sanitätsausbildern in der Reha gesagt: ‘Denkt an Aaron, wenn ein Kind auffällig ist! Nehmt es einfach mit, egal ob etwas dabei herumkommt oder nicht. Sicher ist sicher.’ Außerdem ist mir die Impfung wichtig, auch meine kleine Tochter habe ich direkt impfen lassen. Es kann bei jedem ausbrechen, kein Alter ist vor einer Meningitis sicher.”

Aaron sei geimpft gewesen, er habe auch die Pneumokokken-Infektion durchgemacht: „Das war hart”, erinnert sich Carl. „Ich will aber nicht wissen, was gewesen wäre, wenn er nicht geimpft gewesen wäre.”

Mit der neuen Lebenssituation muss sich jetzt arrangiert werden: Ein neues Zuhause, das rollstuhlgerecht ist, hat die Familie aus Duisburg bereits gefunden. „Aber wir brauchen unbedingt ein rollstuhlgerechtes Auto, damit ich Aaron dort hineinschieben kann. Denn tragen kann ich ihn nicht und alleine stehen oder sitzen kann er nicht. Dafür sammeln wir gerade Spenden auf GoFundMe.”

Lese-Tipp: Kleinkind (1) stirbt an Pneumokokken-Meningitis! Mutter kämpft für neue Impfung

Mit Hoffnung in die Zukunft blicken - und sich über die kleinen Fortschritte freuen

Dass ihr Sohn Aaron eines Tages wieder eigenständig essen, laufen und sprechen kann, ist Melina Carls (35) größter Wunsch.
Dass ihr Sohn Aaron eines Tages wieder eigenständig essen, laufen und sprechen kann, ist Melina Carls (35) größter Wunsch.
Melina Carl / privat

Was Aarons gesundheitliche Zukunft angeht? Dazu schweigen die Ärzte. „Sie sagen uns nichts, wahrscheinlich, um uns keine falschen Hoffnungen zu machen”, so Melina Carl.

Trotzdem freue sie sich über die kleinen Fortschritte ihres Sohnes: „Unser Glück ist, dass Aaron zwar keine großen Sprünge macht, dafür aber kleine, kontinuierliche. So versuchen wir gerade zum Beispiel über Blinzeln zu kommunizieren. Einmal blinzeln heißt ‘Ja’, zweimal heißt ‘Nein’. Kopfschütteln fällt ihm noch schwer, manchmal macht er Brummgeräusche. So kann er wenigstens ein bisschen auf sich aufmerksam machen. Aber wir brauchen Zeit und Geduld.”

Die Anteilnahme, die Bereitschaft und das Engagement an Aarons Schule, durch die anderen Kinder, Lehrer und Eltern, sei Wahnsinn gewesen. „Seine Klassenkameraden fragen immer nach ihm, sie vermissen Aaron und haben uns Briefe geschrieben. Alle wollen helfen, die Schule hat sogar einen Spendenlauf organisiert. Das freut mich natürlich sehr, aber ich hätte auch auf all das verzichten können. Ich hätte ihn lieber mit da sitzen.”

So hart die neuen Lebensumstände auch sind: Am Ende führt sich die 35-jährige Mutter von Aaron immer wieder vor Augen: „Am Anfang sah es wirklich schlimm aus. Ich hätte ihn auch verlieren können.”

Und deswegen gibt sie nicht auf. Für sich. Aber vor allem für ihren Sohn.

Lese-Tipp: Baby Leon starb vor zwei Jahren - jetzt ist seine verwaiste Mutter Karolina (30) bereit für ein neues Kapitel