Ärztin erklärt Grund für TrendKondom und Pille immer unbeliebter – wie verhüten junge Frauen heute?

Im Bett immer Gummi geben? Das war einmal!
Die jüngere Generation greift immer seltener auf das Kondom zurück. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht das kritisch und warnt jetzt vor sexuell übertragbaren Krankheiten und ungewollten Babys! Doch auch die Antibabypille ist nicht mehr so beliebt, wie sie einmal war. Woher diese Entwicklung kommt und wie junge Frauen heute verhüten, erklärt die Gynäkologin Dr. Judith Bildau.
„Angst vor Geschlechtskrankheiten hat stark nachgelassen“
Junge Europäer nutzen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beim Sex immer seltener ein Kondom.
Der Gebrauch von Kondomen sei unter sexuell aktiven Heranwachsenden seit 2014 deutlich zurückgegangen, berichtete die dpa, während die Rate an ungeschütztem Sex besorgniserregend hoch sei, teilte das in Kopenhagen ansässige WHO-Regionalbüro Europa mit. Auch Dr. Judith Bildau kann diese Entwicklung aus ihrer täglichen Arbeit in der Praxis bestätigen. Doch warum haben viele junge Paare verstärkt ungeschützten Sex?

„Das ist eine sehr gute Frage, auf die es vermutlich nicht eine definitive Antwort gibt. Sicherlich hat die Angst vor Geschlechtskrankheiten, hier insbesondere HIV, stark nachgelassen. War das Thema und die Sorge davor vor einigen Jahren auch medial sehr präsent, gilt die Infektion heute zwar als nicht heilbar, aber eben auch nicht mehr als tödlich“, führt die Ärztin als Hauptursache für die Entwicklung an.
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Ärztin: Sexualunterricht in Schulen wurde vernachlässigt
Ein weiterer Grund für ungeschützten Geschlechtsverkehr sei zudem, dass immer mehr Mädchen und Frauen keine hormonellen Verhütungsmittel verwenden wollen.
„Die Pille und Co. haben mittlerweile einen so schlechten Ruf, dass vermehrt darauf verzichtet wird. Ein weiterer Punkt ist, dass der Sexualunterricht in den Schulen in den letzten Jahren stark vernachlässigt wurde. Besonders in den Jahren der Pandemie und während des Homeschoolings fand er schlicht kaum statt“, kritisiert die Expertin.
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Pille immer noch wichtig – doch Vorbehalte wachsen
Doch im Vergleich zu den meisten anderen Ländern aus dem aktuellen WHO-Bericht scheint die Pille in Deutschland noch häufig das Verhütungsmittel der Wahl zu sein. Nur 16 Prozent der Mädchen und 23 Prozent der Jungen aus der Bundesrepublik verwendeten weder Pille noch Kondom.
Jedoch gibt es laut Frauenärztin Dr. Bildau immer mehr Vorbehalte gegen die Pille – was ist da dran?
„Der Ruf der hormonellen Verhütungsmittel ist mittlerweile schlechter, als sie tatsächlich sind. Wichtig ist, dass Mädchen und Frauen eine medizinisch fundierte Aufklärung erhalten, bevor sie damit beginnen. Risikofaktoren sollten vorher herausgefiltert werden, wie zum Beispiel ein erhöhtes Risiko für Thrombosen und möglicherweise auftretende Nebenwirkungen ernst genommen werden“, rät die Expertin.
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Pille: „Wichtig, dass individuell passendes Präparat gefunden wird“
Trotz der wachsenden Unbeliebtheit bleibt die Pille insgesamt unter allen verordnungsfähigen Verhütungsmitteln, zu denen auch Spirale, Vaginalring und Hormonpflaster zählen, immer noch das am häufigsten verordnete Verhütungsmittel.
Bei den Pillenverordnungen setzt sich allerdings laut AOK-Bundesverband der Trend zu risikoärmeren Präparaten fort. Zu den schwerwiegendsten möglichen Komplikationen bei der Pilleneinnahme gehören Thrombosen und Lungenembolien. Als risikoärmer gelten kombinierte Pillen unter anderem mit der Wirkstoffklasse Levonorgestrel. Es seien mittlerweile sehr viele verschiedene Präparate in unterschiedlichsten hormonellen Zusammensetzungen und Dosierungen auf dem Markt, erklärt auch Dr. Bildau dazu und appelliert: „Es ist ganz wichtig, dass das individuell passende Präparat gefunden wird.“