Kosten für „Unterkunft und Verpflegung” Staat will 100.000 Euro von Justiz-Opfer Genditzki

Manfred Genditzki (M) umarmt nach der Urteilsverkündung im Wiederaufnahmeverfahren um den sogenannten Badewannen-Mordfall eine Frau vor dem Gerichtsgebäude. Im Hintergrund stehen zusammen mit Anwalt Klaus Wittmann (r) und Anwältin Regina Rick (2.v.r) . Im Münchner Prozess um den sogenannten Badewannen-Mord von Rottach-Egern ist der angeklagte Manfred Genditzki am Freitag freigesprochen worden.
Manfred Genditzki (M) umarmt nach seinem Freispruch im sogenannten Badewannen-Mordfall eine Frau vor dem Gerichtsgebäude
dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Wann lässt man diesen Mann endlich in Ruhe?
Ein Staat steckt einen Unschuldigen mehr als 13 Jahre lang ins Gefängnis. Nachdem das Unrecht endlich korrigiert ist, entschädigt er den Mann nicht großzügig, sondern schickt ihm eine Rechnung – für das Essen im Gefängnis und die Unterkunft. Was ist das für ein Staat, der so mit einem Justizopfer umgeht? Deutschland.

4.916 Tage hinter Gittern – für den „Badewannen-Mord”, den es nie gab

13 Jahre lang sitzt Manfred Gerlitzki unschuldig im Gefängnis, ehe die Justiz ihren schweren Fehler korrigiert und den Mann im Sommer 2023 freispricht. 4.916 Tage hinter Gittern – für den sogenannten „Badewanne-Mord“, mit dem er nichts zu tun hatte und der wohl ein tragischer Unfall war.

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Manfred Genditzki (M) geht mit Ehefrau Maria (r) nach der Urteilsverkündung im Wiederaufnahmeverfahren um den sogenannten Badewannen-Mordfall aus dem Gericht. Im Münchner Prozess um den sogenannten Badewannen-Mord von Rottach-Egern ist der angeklagte Manfred Genditzki am Freitag freigesprochen worden.
7. Juli 2023: Manfred Gendtizki verlässt das Gericht mit seiner Frau Maria als freier Mann
dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Über einen Schadensersatz für mehr als ein Jahrzehnt staatlich gestohlene Lebenszeit ist ein Jahr nach seiner Freilassung noch nicht verhandelt, da bekommt der geplagte Mann Post von der Generalstaatsanwaltschaft München. Inhalt: eine Rechnung, von der die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) jetzt berichtet. Fast 100.000 Euro will der Staat demnach vom Genditzki haben, für Kost und Logis sozusagen.

Im Video: Manfred Genditzki saß 13 Jahre unschuldig im Gefängnis

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Staatsanwaltschaft präsentiert Gegenrechnung

Nach dem Gesetz stehen Genditzki für jeden Tag, den er unschuldig im Gefängnis saß, 75 Euro zu. Das macht 368.700 Euro. Diese „immaterielle“ Entschädigung genannte Summer wurde ihm laut „SZ“ bereits überwiesen. Darüber hinaus fordert Manfred Genditzki einen „angemessenen Schadensersatz“ für die fast 14 Jahre, von mindestens 750.000 Euro ist die Rede. Begründet wird das unter anderem damit, dass ihm während der Zeit unter anderem Einkünfte aus seiner Arbeit als Hausmeister entgangen sind.

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Ehe darüber entschieden wird, macht nun die bayrische Staatsanwaltschaft eine Gegenrechnung auf. Die geht so: Der unschuldig Eingesperrte hat im Gefängnis eine Unterkunft gehabt, sprich seine Zelle, und er habe dort Essen bekommen. Dafür schulde er dem Staat 50.443 Euro und 48 Cent, so der Bericht weiter. Hinzu käme die Vergütung für die im Gefängnis geleistete Arbeit, bei dem geltenden Tagessatz von 2 Euro summiert sich das auf 48.979,06. Unterm Strich also knapp 100.000 Euro.

Buschmann wollte das Gesetz ändern

Wie ein Richter der Zeitung sagt, ist die Gegenforderung an Justizopfer „gängig, üblich und bisher legal.“ Bisher bezieht sich darauf, dass Justizminister Marco Buschmann diese Praxis hatte abschaffen wollen, den Plan aber wegen des Ampel-Aus nicht mehr umsetzen konnte. Was der Betroffene über die Forderung denkt, ist noch nicht bekannt.

Seine Anwältin Regina Rick dürfte deutliche Worte finden. Die Frau, die mehr als zehn Jahre lang beharrlich die Wiederaufnahme des Prozesses gegen ihren Mandanten forderte, sprach in der Vergangenheit allgemein über das Verhalten des Staates, als es die Schadensersatzforderung ging: „Verhöhnung eines Justizopfers“, sagte sie unter anderem. Sie kritisiert, dass der Staat ihrem Mandanten Geld für Unterkunft und Verpflegung in Rechnung stellt. „Auf die Kost und die Logis hätte er gern verzichtet“, so Rick.

Manfred Genditzki „hat immer noch Albträume“

Manfred Genditzki war 2010 verurteilt worden, weil das Gericht glaubte, dass er eine alte Dame in ihrer Badewanne ertränkt hatte. Er ging in Revision und wurde 2012 erneut wegen Mordes zur Verdeckung einer anderen Straftat und Körperverletzung zu lebenslanger Haft verurteilte. Auch hiergegen legte Genditzki Revision ein – dieses Mal ohne Erfolg.

Manfred Genditzki (M) steht vor Prozessbeginn im Wiederaufnahmeverfahren um den sogenannten Badewannen-Mordfall zusammen mit seinen Anwälten Regina Rick (l) und Klaus Wittmann im Gerichtssaal. Das Landgericht München II hatte Genditzki 2010 wegen Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Er wurde im August 2022 nach 4912 Tagen aus der Haft entlassen, weil es erhebliche Zweifel daran gibt, dass er den Mord tatsächlich begangen hat.
Anwältin Regian Rick (l.) strahlt nach dem Freispruch für Manfred Genditzki
dpa | Sven Hoppe

Mehr als 13 Jahre lang saß er im Gefängnis, bevor sein Kampf um ein Wiederaufnahmeverfahren erfolgreich war und er im August 2023 frei kam. Grund waren neue Gutachten, die untermauerten, dass die alte Frau bei einem Unfall starb und nicht Opfer eines Verbrechens wurde. Nach dem Freispruch sagte er: „Ich werde keine Freudensprünge machen.“ Er habe keinen Grund zum Jubeln, „14 Jahre sind weg.“

Während die Jahre weg sind, bleibt der Ärger um eine angemessene Entschädigung. Anwältin Rick sagte unlängst: „Es stresst ihn natürlich.“ Ihrem Mandanten gehe es „gesundheitlich nicht gut“, so Rick. „Er hat immer noch Albträume.“