Nikolaus Blome kommentiert den Rechtsruck bei der Europawahl

Die Leute wollen Rückzug und Atempause

von Nikolaus Blome

Rechtstrend größer als die Hardcore-Gruppe.
Machen wir uns nichts vor: Mindestens ein stattlicher Kern der AfD-Anhänger wählt inzwischen ihre Partei, weil sie extrem ist. Nicht: obwohl sie extrem ist. Diese Leute haben ihre felsenfeste Sicht auf Dinge, und alles, was von Linken oder Grünen kommt, ist des Teufels. Es gehört radikal abgeschafft. Kompromisse wären Verrat. Ob man jemals noch an diese Gruppe vernünftig herankommt? Keine Ahnung. Der Trend in Richtung rechts ist aber größer als diese Hardcore-Gruppe.

Deutschland und viele EU-Staaten rücken nach rechts

Deutschland und viele EU-Staaten rücken insgesamt in Richtung rechts. Das muss nicht automatisch schlimm sein. Jahrelang waren Deutschland und viele EU-Staaten vorher in Richtung links gerückt. Und wenn die CDU/CSU ihr Ergebnis ein wenig verbessern können und meilenweit vor allen anderen Parteien führen, dann ist das nicht Teil desselben „Rechtsrucks“ wie der krasse Zuwachs bei der AfD. Rechts der Mitte ist nicht gleich rechtsextrem. Das zu behaupten, ist ein kapitaler Bock der Linken und Grünen. Ein Beispiel: In der Regel halten „rechte“ Wähler das Gendern für überkandidelt und nicht für einen gesellschaftlichen Fortschritt. Aber die einen wollen nur, dass das Gendern bei ARD und ZDF verschwindet. Die Extremen wollen, dass ARD und ZDF ganz verschwinden.

Der Wunsch auf die Bremse zu treten ist da

Die Wähler aller dieser rechten Parteien haben allerdings eines gemeinsam: den Wunsch, mehr oder minder scharf auf die Bremse zu treten: Es geht um mehr oder minder viel Rückzug und Atempause.

Rückzug heißt: Raus aus dem Euro, weniger Wettbewerb in einer durchglobalisierten Welt, „Deutschland first“ und bloß kein Geld für die Armen in der Welt oder einen Krieg in weiter Ferne, denn alles ist ja so teuer geworden. So kann man das sehen. Allerdings hängen Millionen gut bezahlter Jobs am Euro. Und es war genau diese perfekt geschmierte Globalisierung, die in Deutschland jahrzehntelang die Preise gedrückt hat. Daneben hat den Krieg, aus dem man sich so gern heraushalten würden, einer angefangen, der nach dem ersten Sieg wahrscheinlich einen zweiten Krieg beginnen würde.

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Atempause heißt: Nicht mehr so schnell und so viel Klimaschutz, der Fahren, Heizen und Produzieren teurer macht. Nicht mehr so schnell und so viel Veränderung: Warum soll Deutschland aufhören, die besten Benzinmotoren der Welt zu bauen? So oft gibt es Überschwemmungen bei uns nun auch wieder nicht. So kurzsichtig dieser Blick auf die Probleme ist, man sollte ihn ernst nehmen. Denn viele, die (noch) nicht Rechtsaußen wählen, sehen es ähnlich. Ihnen fehlt gerade bei den Grünen das Augenmaß, das Gefühl für das Machbare. Sie sehen es wie der Klimaschutz-Minister Habeck, der inzwischen sagt: „Ich bin zu weit gegangen.“ Der Absturz der Grünen könnte am Ende dazu führen, dass Deutschland zu wenig Klimaschutz macht (und bekommt) - weil die Grünen zu viel und zu schnell davon wollten.

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