Klingbeil attackiert WeidelDarf man die AfD Nazi-Partei nennen?
Darf man das sagen?
Am Abend nach der Europawahl kommt es bei der großen Wahlrunde zu einer bemerkenswerten Szene: SPD-Chef Lars Klingbeil bezeichnet die AfD als Nazis, Alice Weidel spricht von einer „Unverschämtheit“. Wie Nazi ist die AfD und darf man das rechtlich gesehen sagen?
Weidel: „Das ist eine Unverschämtheit”
Was war überhaupt passiert? Zum Schluss des Talks mit allen Parteichefs sagt Klingbeil: „Ich glaube auch, dass das Ergebnis der Europawahl viele Menschen noch mal wachrüttelt, dass die Nazis bei dieser Wahl stärker geworden sind. Ich glaube, da wachen viele auf, kämpfen auch für die Demokratie. Also es wird etwas anderes sein, als das am heutigen Abend der Fall ist.“ Die neben ihm sitzende Alice Weidel sagt daraufhin empört: „Sie haben mich und die Partei gerade als Nazis bezeichnet? Das ist eine Unverschämtheit.“ Und Sahra Wagenknecht, die an diesem Abend häufig den Schulterschluss mit Weidel sucht, findet, die AfD müsse differenzierter betrachtet werden. „Ich finde, was gegen die AfD spricht, ist, dass sie tatsächlich Leute in ihren Reihen hat wie Herrn Höcke, die man einen Faschisten nennen kann. Auch Herr Krah, wenn er sagt, also nicht jeder, der bei der SS war, war ein Verbrecher. Sie haben schon Leute in Ihren Reihen, das wissen Sie auch, Frau Weidel, für die das zutrifft.“ Nach RTL-Informationen prüft die AfD derzeit, ob sie wegen Klingbeils Aussage rechtliche Schritte einleitet.
Fakt ist: Die AfD wurde in Teilen von Verfassungsschutzbehörden als gesichert rechtsextrem eingestuft. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall. 2019 urteilte ein Gericht, dass der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke „Faschist“ genannt werden darf.
„Im politischen Bereich können sehr scharfe Äußerungen durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein”
Aber kann man AFD-Mitglieder pauschal Nazis oder Faschisten nennen? „Jemanden als Nazi zu bezeichnen, kann - unabhängig von der politischen Überzeugung - als Beleidigung strafbar sein“, erklärt Rechtsanwalt Arndt Kempgens auf RTL-Anfrage. „Gerade im politischen Bereich können sehr scharfe Äußerungen aber auch durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein. Letztlich kommt es darauf an, ob es der äußernden Person eher um die persönliche Herabwürdigung einer Person geht oder um Kritik an der Sache. Vorliegend also sicherlich Grauzone, die bei Gericht so oder so entschieden werden könnte, wenn es so weit kommt“, ordnet Kempgens die Szene am Abend ein. Grundsätzlich läge bei Beleidigung der Strafrahmen bei bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe, es sei aber auch eine Geldstrafe möglich. Beleidigung sei aber ein Antragsrelikt – heißt: Wird also nur verfolgt, wenn auch ein Strafantrag gestellt wird.
Blome: „Kontrollierte und geplante Attacke Klingbeils”
Die Aussage von Klingbeil scheint aber eine mit Kalkül zu sein: „Man kann sicher davon ausgehen, dass es eine kontrollierte und geplante Attacke Klingbeils war. Er hatte angekündigt, dass die restlichen SPD-Wähler ihre Führung „jetzt kämpfen sehen” wollen, und er hat gleich damit angefangen. Allerdings mit dem Rücken zur Wand”, ordnet RTL-Poltikchef Nikolaus Blome ein.
Blome hatte am Abend auch die Runde moderiert. Und sein Eindruck: Die AfD-Chefin Alice Weidel schien wirklich angefasst zu sein: „Sie hat sehr kalt reagiert und wenn man sie ein bisschen kennt, dann weiß man, je leiser dann die Stimme von Alice Weidel wird, je mehr sie dann zischt, umso wütender ist sie in Wahrheit. Also das hat sie sehr getroffen und gleichzeitig wird man eben sehen, ob das eine kluge Idee war, von Lars Klingbeil so auszuteilen.”