Ex-RTL-Kollege seit 40 Jahren trocken
Michael trank sechs Tage die Woche Alkohol – doch dieser eine Morgen änderte alles

13 Jahre lang bestimmt der Alkohol sein Leben.
Von außen ist Michael Legband ein erfolgreicher Mann mit einem scheinbar perfekten Leben. Der 72-Jährige ist Journalist, arbeitet viele Jahre bei RTL, engagiert sich sogar politisch. Doch vor dem Erfolg durchlebt er eine dunkle Zeit - geprägt vom Alkohol.
„Ehe kaputt, Führerschein weg, Arbeit weg”
Wenn Michael Legband heute am Regal mit Spirituosen vorbeigeht, hat er den Geschmack der Getränke noch auf der Zunge. „Die Geschmacksbibliothek ist noch da”, sagt er - auch 40 Jahre nach seiner Sucht. Wie er in die Abhängigkeit gerutscht ist, kann der Kieler heute nicht genau sagen. „Es ist ein Reinschlittern gewesen”, erklärt er RTL. „Wenn ich Alkohol trank, kannte ich einfach keine Grenze.” Anfangs hätte das viele Trinken nur regelmäßige Kopfschmerzen verursacht. Doch irgendwann zeigt das Gift seine ganze Zerstörungskraft. Für Legband ist der Alkohol ein hervorragendes Lösungsmittel: „Es löst Familien, Ehen, Freundschaften, Arbeitsverhältnisse, Führerscheine, Bankkonten, Leber- und Gehirnzellen auf. Es löst nur keine Probleme”, sagt er. Und das bekommt Michael Legband schmerzlich zu spüren.
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Anfang Dreißig wird er mit 2,97 Promille am Steuer erwischt und muss seinen Führerschein abgeben. Auch seine Ehe zerbricht: „Wenn Sie ständig besoffen sind, möchte niemand mit Ihnen zusammenleben”, sagt der Kieler. Wegen seiner Alkoholsucht verliert Michael Legband damals auch noch seinen Job als Versicherungskaufmann. Der Aktenstapel auf seinem Schreibtisch wächst, seine Aufgaben kann er nicht mehr erledigen. Während der Arbeitszeit trinkt er zwar nicht, aber „ich hatte immer einen dicken Schädel”. Meist greift er in den Abendstunden zur Flasche und säuft dann bis tief in die Nacht. „Irgendwann habe ich den sozialen und psychischen Tiefpunkt erreicht.” Dann kommt der Wendepunkt.
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Abgestellter Strom lässt ihm ein Licht aufgehen
Eines Morgens, Michael Legband ist gerade 33 Jahre alt und seit 13 Jahren abhängig, wacht er mit Schuhen an den Füßen auf. Er geht in die Küche, öffnet die Kühlschranktür - doch das Licht im Inneren bleibt aus. Ihm wurde der Strom abgestellt. Viel zu lange hat er seine Rechnungen nicht bezahlt. Sein ganzes Geld ging für den Alkohol drauf. „Am liebsten habe ich Whiskey und Brände getrunken, aber die sind natürlich teuer.” Als er in dem Moment in den dunklen Kühlschrank blickt, wird ihm klar: „Jetzt brauche ich Hilfe.”
Er greift zum Hörer und besucht ab dann eine Selbsthilfegruppe - seine Rettung! „Die Arbeit in der Gruppe hat mich sehr stabilisiert”, erinnert er sich. Dort lernt er, wie er Alkohol in alltäglichen Situationen ablehnt, tauscht sich mit anderen suchtkranken Menschen aus und schöpft neuen Mut. Er möchte sein Leben umkrempeln und entscheidet: „Ich will Journalist werden.”
Ohne Studium, aber mit Ehrgeiz ergattert er ein Volontariat bei einem Zeitungsverlag. Seinen Vorgesetzten und Kollegen verschweigt er seine Vergangenheit nicht: „Ich bin immer offen mit meiner Alkoholabhängigkeit umgegangen. Das zu verstecken bringt nichts.” Danach zieht es ihn in die Fernsehwelt. Er arbeitet als Redakteur und Reporter und wird bei RTL sogar das politische Gesicht am Standort Kiel. Legband wird für sein privates Engagement gegen rechts 2023 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Später hält er an der Kieler Fachhochschule Vorträge vor angehenden Sozialarbeitern und teilt seine Erfahrungen.
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„Ich möchte, dass sich Leute wiedererkennen und vielleicht auch zum Telefon greifen und mit jemandem reden”, sagt der Rentner. Heute ist er stolz, seit mittlerweile vier Jahrzehnten trocken zu sein, doch ihm ist bewusst: „Man ist immer gefährdet.” Kleine, scheinbar unbedeutende Alltagssituationen erinnern ihn aber immer wieder daran, wie schön es ist, das Leben nüchtern wahrzunehmen. „Ich freue mich morgens, wenn ich aufwache, das Vogelgezwitschter zu hören. Das habe ich 13 Jahre lang nicht wahrgenommen, weil ich immer einen dicken Kopf hatte”, sagt er mit einem Lächeln in der Stimme. Momente wie diese würde es nicht geben, wenn er nicht aufgehört hätte - da ist sich Michael Legband sicher.
Hier findet ihr Hilfe bei Suchtproblemen
Wer bei sich ein Suchtproblem vermutet, findet vielerorts Hilfe: beim eigenen Hausarzt, der Telefon-Hotline der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unter 0221–892031 (Mo.–Do. 10 bis 22 Uhr; Fr.–So. 10 bis 18 Uhr) oder der anonymen Online-Beratung der BZgA. Auch die Anonymen Alkoholiker bieten in vielen Städten Hilfe an und sind telefonisch unter 08731–3257312 (tägl. 8–21 Uhr) zu erreichen.