„Ehrenmorde” haben mit Ehre nichts zu tun Frauen sterben, weil Familien etwas gegen ihren Lebensstil haben

Sie wurde zum Synonym für einen Begriff, der irreführender nicht sein könnte: „Ehrenmord.“
Hatun Sürücü wird nicht aus ehrenhaften Gründen ermordet. Sie stirbt, weil sie eine mutige Frau ist, die frei sein will. Die nichts mit mehr mit dem archaischen Weltbild ihrer Familie zu tun haben möchte. Zwanzig Jahre ist es her, dass der Mord an der 23 Jahre alten Deutsch-Kurdin die Öffentlichkeit erschüttert und Diskussionen auslöst. Bis heute kommt es immer wieder zu vergleichbaren Fällen.
Immer wieder aufsehenerregende Fälle
Für das Jahr 2024 listet die Menschenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ in Deutschland sechs Opfer sogenannter „Ehrenmorde“ auf, vier Frauen und zwei Männer. Drei von ihnen starben. 2023 gab es demzufolge 19 Opfer (davon 15 Frauen), 13 starben. Diese Zahlen und Fälle aus der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass weiterhin Frauen sterben, weil ihre Familien mit ihrem Lebensstil nicht einverstanden sind.
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Im Juni 2024 verurteilte das Landgericht Bremen einen 24-Jährigen, der seine Schwester erstach, wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Der Angeklagte habe gedacht, er müsse seine Schwester umbringen, um seine Ehre und die seiner Familie wiederherzustellen, so die Richterin.
In Berlin verurteilte das Landgericht vor rund zwei Jahren zwei Brüder jeweils zu lebenslanger Haft, weil sie ihre Schwester im Juli 2021 ermordeten. Opfer und Täter waren aus Afghanistan geflohen. Die Frau war als 16-Jährige zwangsverheiratet worden. In Deutschland trennte sich die zweifache Mutter von ihrem gewalttätigen Ehemann, verliebte sich und wollte ihr Leben nach eigenen Vorstellungen führen.
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Begriff „Ehrenmord“ ist umstritten
Der Fall löste erneut eine Debatte um den Begriff „Ehrenmord“ und die gescheiterte Integration von Flüchtlingen aus. Der Begriff Ehrenmord ist umstritten, weil er ein ehrenhaftes Motiv suggeriert. Terres des Femmes verwendet ihn gleichwohl und beruft sich auf eine Definition des Bundeskriminalamtes (BKA), in der es heißt: „Ehrenmorde” sind „vorsätzlich begangene versuchte oder vollendete Tötungsdelikte, die im Kontext patriarchalisch geprägter Familienverbände oder Gesellschaften vorrangig von Männern an Frauen verübt werden, um die aus Tätersicht verletzte Ehre der Familie oder des Mannes wiederherzustellen“.
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Opfer von - oft tödlicher - Gewalt werden Frauen jedoch aufgrund ihres Geschlechts weit häufiger. Nach Zahlen der Bundesregierung wurden im Jahr 2023 in Deutschland 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Femiziden, 360 Frauen und Mädchen starben. Ein Femizid ist eine vorsätzliche Tötung, bei der das weibliche Geschlecht des Opfers als Motiv eine Rolle spielt.
Mehr als 50.000 Frauen weltweit von Männern ermordet
Weltweit wurden 2023 nach Schätzungen der Vereinten Nationen 51.100 Mädchen und Frauen von Verwandten oder männlichen Partnern getötet. Laut UN-Fachleuten schlugen viele Opfer vor ihrem Tod wegen Gewalt in der Beziehung Alarm. Dies lege nahe, dass viele Tötungen von Frauen vermeidbar sind. Kontaktverbote für männliche Partner könnten Leben retten, hieß es.
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Dass auch sie nicht immer nutzen, zeigt ein aktueller Fall: Ein 50-jähriger Libanese steht vor dem Landgericht Berlin, weil er seine Frau im August 2024 aus „massiver Eifersucht“ und „übersteigertem Besitzdenken“ erstochen hat. Die 36-Jährige hatte sich 2020 nach häuslicher Gewalt von ihm getrennt. Sie erwirkte über ein Gericht eine sogenannte Gewaltschutzverfügung und ein Annäherungsverbot, wohnte in einer geschützten Wohnung. Doch der Ex-Mann lauerte ihr auf und stach zu. (uvo/dpa)