Sie töteten aus gekränktem EhrgefühlSchwester (34) ermordet und Leiche in Koffer transportiert: Lebenslange Haft für Brüder

Sie ermordeten ihre Schwester (34), brachten die Leiche in einem Rollkoffer per Zug nach Bayern und verscharrten sie in einem Erdloch. Rund eineinhalb Jahre nach dem gewaltsamen Tod der Afghanin sind zwei Brüder am Donnerstag vom Landgericht Berlin zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Es befand die beiden 27 und 24 Jahre alten Männer am Donnerstag des gemeinschaftlichen Mordes für schuldig. Die Brüder haben die 34-Jährige nach Überzeugung des Gerichts ermordet, weil die zweifache Mutter ihr Leben nach eigenen Vorstellungen führen wollte – entgegen den Moralvorstellungen der afghanischen Familie.

Schwester getötet, Leiche in Koffer gepackt und in Bayern verscharrt

Mord an Afghanin in Berlin: Taxifahrer gesucht
Mit diesem Taxi sollen die Brüder zum Berliner Bahnhof gefahren sein.
Polizei

Im Juli 2021 lockten die inzwischen 24 und 27 Jahre alten Brüder die Frau in Berlin in eine Falle und brachten sie um. Danach sollen sie mit einem Taxi zum Bahnhof gefahren sein, um dann mit dem Zug nach Bayern weiterzureisen. Auf Videoaufnahmen sind die zwei Brüder am Bahnhof in Berlin zu sehen. Rund drei Wochen später wurde die Tote in einem Erdloch in der Nähe des bayerischen Wohnortes des 27-Jährigen entdeckt. Die Staatsanwältin forderte jeweils lebenslange Haft wegen Mordes gegen die Angeklagten.

Der ältere Bruder hatte im Prozess die Tötung der Schwester gestanden, dabei aber eine Art Unfall in einem Streit geschildert. Sein Bruder sei nicht beteiligt gewesen, so der 27-Jährige. Seine Anwälte verlangten einen Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge und eine Haftstrafe von maximal fünf Jahren. Die Verteidiger des jüngeren Angeklagten plädierten auf Freispruch.

Fall löste Debatte um umstrittenen Begriff "Ehrenmord" aus

Der Fall hatte für Schlagzeilen gesorgt und eine Debatte um sogenannte "Ehrenmorde" und die gescheiterte Integration von Flüchtlingen ausgelöst. Die Frau und die Brüder waren vor einigen Jahren aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Von ihrem afghanischen Mann war sie geschieden.

Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass die Brüder mit der Entwicklung ihrer geschiedenen Schwester nicht einverstanden gewesen seien. Sie hätten ihr "das Recht abgesprochen, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu führen", sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer nach mehr als zehnmonatiger Verhandlung. Der Anwalt der Nebenklage, der die Kinder der Getöteten vertrat, sagte, aus seiner Sicht sei es "um Macht und Kontrolle über Frauen" gegangen.

ARCHIV - 02.03.2022, Berlin: Zwei Brüder sitzen wegen der Tötung ihrer 34 Jahre alten Schwester auf der Anklagebank des Kriminalgerichts Moabit. (zu dpa «Urteil erwartet im Prozess nach gewaltsamem Tod einer Afghanin») Foto: Joerg Carstensen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Brüder der getöteten Afganin mussten sich in Berlin vor Gericht verantworten.
car hjb, dpa, Jörg Carstensen
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Sieben Morde im Namen der sogenannten "Ehre" in Deutschland im Jahr 2022

"Gewalt im Namen der Ehre wird häufig von einem Kollektiv an Personen beschlossen, begangen oder auch gedeckt", erklärte Elisabeth Gernhardt von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. Ihre Organisation verwende den umstrittenen Begriff des "Ehrenmordes", um zu verdeutlichen, dass es sich um Taten handelt, die im Kontext patriarchalisch geprägter Familienverbände oder Gesellschaften vorrangig an Frauen verübt werden, um die aus Tätersicht verletzte Ehre der Familie oder des Mannes wiederherzustellen.

Für das Jahr 2022 hat Terre des Femmes laut Gerhardt bundesweit bislang sieben Opfer (vier Frauen, drei Männer) versuchter oder vollzogener "Ehrenmorde" recherchiert. Diese Zahl könne sich aber noch erhöhen. Generell sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Für 2021 habe die Organisation 19 Fälle recherchiert (zehn Frauen, neun Männer). (dpa/bst)