1968 verurteilt - und unschuldig
Am längsten einsitzender Todeskandidat der Welt kommt frei

Was für eine unglaublich lange Zeit hinter Gittern!
Mehr als ein halbes Jahrhundert lang sitzt Iwao Hakamada wegen Mordes an einer Familie in der Todeszelle. Ein Mord, den er nicht begangen hat. Neue DNA-Beweise entlasten den heute 88-Jährigen. Jetzt kassierte ein Richter sein Todes-Urteil - doch Hakamada weiß nichts von diesem späten Sieg.

Jahrzehntelange Haft hat Spuren hinterlassen
Die jahrzehntelange Haft hat Spuren in Hakamatas geistiger Gesundheit hinterlassen. Nach seiner Entlassung lebt er „in seiner eigenen Welt“, sagt seine Schwester Hideko (91), die sich seit langem für seine Freilassung einsetzt hat. Sie kümmert sich nach seiner Entlassung um ihren Bruder. Hakamatas Martyrium beginnt 1968: Ihm wird damals vorgeworfen, seinen Chef, dessen Frau und deren zwei Kinder getötet zu haben. Schon damals beteuert Hakamata vor Gericht seine Unschuld. Beamte hätten Beweise gefälscht, um ihn als Schuldigen hinzustellen, schreibt die BBC.

Mit 2:1 Stimmen entscheiden die Richter damals: Hakamata ist schuldig und soll für den vierfachen Mord sterben. Der heute 88-Jährige lebte seither in ständiger Todesangst in der Todeszelle. 2014 kommt wieder Bewegung in seinen Fall. Neue DNA-Spuren können belegen, dass das Blut, das an seiner Kleidung gefunden wurde, nicht den Opfern zugeordnet werden konnte. Das Gericht entscheidet, dass das Verfahren wieder aufgenommen wird. Eine Seltenheit in Japan, das in der gesamten Nachkriegsgeschichte nur fünf Todeskandidaten eine Wiederaufnahme ihres Verfahrens gewährt hat. Mit Erfolg: Am Donnerstagmorgen (26. September) wird Iwao Hakamada endlich freigesprochen.
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„Manchmal lächelt er fröhlich, aber nur, wenn er in seinem Wahn ist“
Die lange Zeit hinter Gittern ist nicht spurlos an ihm vorübergegangen: „Manchmal lächelt er fröhlich, aber nur, wenn er in seinem Wahn ist“, sagt seine Schwester Hideko. „Wir haben mit Iwao nicht einmal über den Prozess gesprochen, weil er die Realität nicht erkennen kann“, fährt sie fort. Heute würde er selten sprechen und kein Interesse an anderen Menschen zeigen. Todestraktinsassen in Japan werden in der Regel in Einzelhaft gehalten und haben kaum Kontakt zur Außenwelt.

Hinrichtungen sind dazu „in Geheimhaltung gehüllt“ und werden kaum oder gar nicht angekündigt, und Familien und Anwälte werden in der Regel erst nach der Hinrichtung informiert, gibt Chiara Sangiorgio von Amnesty International an. Hakamata hat die meiste Zeit seines Lebens hinter Gittern verbracht für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat.
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Im Februar adoptiert er zwei Katzen. „Iwao begann, den Katzen Aufmerksamkeit zu schenken, sich um sie zu kümmern und sie zu versorgen, was eine große Veränderung war“, erzählt seine Schwester CNN. „Ich hoffe, er wird noch ein langes und freies Leben führen“, fügt sie hinzu und sagt: „Ich bin gegen die Todesstrafe. Verurteilte sind auch Menschen.“ (xes)