"Und du mein lieber Täter: Ich gebe keine Ruhe!"Wer hat Yasmin Stieler zerstückelt? Mutter will nach 26 Jahren endlich Antworten

von Carmen Gocht und Friederike Gründken

Am Montag hätte Yasmin Stieler aus Uelzen ihren 44. Geburtstag gefeiert. Doch am 5. Oktober 1996 wird die damals 18-Jährige getötet und zerstückelt. Einen verurteilten Täter gibt es bis heute nicht. Ihre Mutter Rosemarie Schäfer hat jetzt – 26 Jahre später – eine Bitte und wendet sich im Video auch an den Täter.

Yasmins Spur verliert sich auf dem Weg von Uelzen nach Braunschweig

Es ist Samstagabend, der 5. Oktober 1996. Yasmin will mit dem Zug nach Braunschweig in die Diskothek Atlantis. Christina Wolters von der zuständigen Staatsanwaltschaft Braunschweig rekonstruiert ihre Spur: „Sie ist auf dem Weg zum Bahnhof bei Uelzen noch von einer Freundin gesehen worden, danach verliert sich die Spur. Es gibt Augenzeugen, die wollen Yasmin dann gesehen haben in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Braunschweig, es gibt auch andere Zeugen, die sind der Meinung, dass Yasmin bereits in Vechelde ausgestiegen ist. Das passt beides nicht zusammen, nur eine Schilderung kann der Wahrheit entsprechen. Es gibt aber keine gesicherten Erkenntnisse, wo sie welchen Zug verlassen hat und so wissen wir nicht ob sie in Braunschweig angekommen ist.“ Am 14. Oktober 1996 findet ein Anwohner in der Nähe der Bahngleise am Vechelder Bahnhof einen blauen Müllsack, nur spärlich mit Erde bedeckt. Darin: Der Torso von Yasmin.

Die 18-Jährige wurde erdrosselt oder erwürgt

Mit Spürhunden sucht die Polizei damals nach den fehlenden Leichenteilen. Etwa drei Wochen nach der Tat entdecken Spaziergänger an einem FKK Strand der Ricklinger Kiesteiche in Hannover ein Bein von Yasmin. Durch gezielte Nachsuche findet die Polizei am nächsten Tag das zweite Bein im Wasser. Monate später, im Mai 1997, entdeckt dann ein Junge während einer Fahrradtour im Hämelerwald den Schädel von Yasmin. Die Todesursache wird ermittelt. Von der Staatsanwaltschaft heißt es: „Aufgrund des Obduktionsergebnisses ist als Todesursache von einem Erdrosseln oder Erwürgen auszugehen, es hat Gewalt gegen den Hals stattgefunden. Die Zerstückelung ist erst post mortem, also nach dem Tod erfolgt - offenbar um die Leiche dann besser entsorgen zu können."

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LKW-Fahrer tatverdächtig

Die Ermittlungen laufen weiter. Und zwölf Jahre nach Yasmins Tod, im Jahr 2008, kommt wieder Bewegung in den Fall. Ein LKW-Fahrer gilt als tatverdächtig. Nicht weit vom Bahndamm Vechelde entfernt, dem Fundort von Yasmins Torso, war die Arbeitsstelle des Beschuldigten. Unter anderem soll er seinen Fahrtenschreiber manipuliert haben, erläutert Christian Wolters von der Staatsanwaltschaft. „Die Person ist beispielsweise am Morgen des 6. Oktobers - also am Morgen nach dem Verschwinden von Yasmin - dienstlich nach Duisburg mit dem LKW gefahren. Entlang dieser Route befinden sich alle Fundstellen der Leichenteile, außerdem ist die Person dort mit dreistündiger Verspätung angekommen. Auch dafür hat er nie eine Erklärung abgegeben, darüber hinaus sagen Zeugen aus, dass der Beschuldigte verdreckt gewesen sei, als er angekommen ist. Auch dafür gab es keinen nachvollziehbaren Grund." Auch beim anschließenden Verhör gibt es Auffälligkeiten: „Auch im Zuge der Vernehmungen hat er beispielsweise geäußert, dass er die Tat zugeben würde, wenn man sie ihm beweisen könnte. Das ist sicherlich eine sehr ungewöhnliche Äußerung. Eine Äußerung, die ich persönlich noch nie gehört habe. Insbesondere von jemandem, der unschuldig ist. Aber ein Geständnis ist es, wenn man ehrlich ist, auch nicht“, ergänzt Wolters.

Viele Indizien, kein Prozess

Polizei und Staatsanwaltschaft sind sich damals aufgrund der vielen Indizien sicher: Sie haben endlich den Mann gefunden, der Yasmin 1996 umgebracht und zerstückelt hat. "Es kam dann letztlich auch noch ein Lacksplitter eines Spatens hinzu, der an der Fundstelle des Torsos gefunden wurde, den Spaten hat man dann auf dem Dachboden der Arbeitsstelle des Beschuldigten sichergestellt. All das waren für uns genug Gründe um tatsächlich 2008 Anklage zu erheben", sagt der Staatsanwalt. Ein halbes Jahr lang sitzt der Beschuldigte in Untersuchungshaft. Im März 2009 dann der Rückschlag für Yasmins Familie, Polizei und Staatsanwaltschaft - die Anklage wird abgewiesen. „Das Landgericht hat dann das Hauptverfahren nicht eröffnet, weil es zu viele Zweifel hatte, die Beweise haben dem Gericht nicht ausgereicht. Wir haben diese Entscheidung durch das Gericht nochmal prüfen lassen. Das Oberlandesgericht war aber auch der Meinung des Gerichts und deswegen ist es nie zu einem Strafverfahren gekommen und der Beschuldigte wurde dann wieder aus der U Haft entlassen“, erklärt der Staatsanwalt Wolters.

Nur noch Anklage wegen Mordes möglich

Selbst wenn man heute noch Beweise finden würde, wäre ein neues Verfahren nicht sicher. Denn gegen den Angeklagten wurde damals wegen Totschlags ermittelt. Nach 20 Jahren ist die Tat 2016 damit verjährt. Lägen aber Mordmerkmale wie Habgier oder niedrige Beweggründe
vor, könnten die Ermittlungen wieder aufgenommen werden. Auch die Staatsanwaltschaft will die Hoffnung nicht aufgeben. "Wir hoffen natürlich auch, dass der Täter vielleicht irgendwann doch das Ganze mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren kann und er uns mitteilt, dass er derjenige ist, der Yasmin getötet hat. Vielleicht auch vor dem Hintergrund, dass wir das Ganze strafrechtlich nicht mehr aufarbeiten könnten, aber das wäre nicht nur für uns, sondern auch für die Mutter von Yasmin sicherlich wichtig wenn sie wüsste, wer Yasmin getötet hat und warum sie sterben musste."