Wahl in Ungarn

Victor Orban erringt fulminanten Wahlsieg - wird er weitermachen wie bisher?

03.04.2022, Ungarn, Budapest: Viktor Orban, Ministerpräsident von Ungarn,  dankt jubelnden Anhängern während einer Wahlparty in Budapest, Ungarn. Erste Teilergebnisse der ungarischen Parlamentswahlen zeigen einen deutlichen Vorsprung für die rechtsgerichtete Partei des putinfreundlichen Nationalisten Orban, der eine vierte Amtszeit in Folge anstrebt. (Wiederholung mit verändertem Bildausschnitt.) Foto: Petr David Josek/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Viktor Orbans Partei hat bei der Parlamentswahl in Ungarn einen unerwarteten Triumph gefeiert. Seine Fidesz-Partei kam nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmen auf 53 Prozent, wie das Wahlbüro in der Nacht zum Montag mitteilte.
PDJ sei, dpa, Petr David Josek

Nach zwölf Jahren an der Macht feiert Ungarns starker Mann einen weiteren fulminanten Wahlsieg. Schon bislang stand er wegen autoritärer Neigungen und mutmaßlicher Korruption in der Kritik. Wird Viktor Orban einfach so weitermachen?

"So gewaltigen Sieg, dass man ihn sogar vom Mond sieht, aber von Brüssel aus ganz gewiss“

Wer Viktor Orban kennt, weiß, dass Ungarns starker Mann alle Register der Machtausübung beherrscht, im tiefsten Inneren aber unsicher sein kann. Vor dem Wahlgang am Sonntag rechnete er zwar mit einem vierten Sieg in Folge, ließ aber dennoch Zweifel durchblicken. So warf er im letzten Fernseh-Interview der Opposition ziemlich sinnbefreit „Wahlbetrug“ vor, weil sie über legal zugängliche Telefondaten SMS-Botschaften an Wähler verschickt hatte.

Doch Viktor Orbans Partei hat bei der Parlamentswahl in Ungarn einen unerwarteten Triumph gefeiert. Seine Fidesz-Partei kam nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmen auf 53 Prozent, wie das Wahlbüro in der Nacht zum Montag mitteilte. Damit könnte sie 135 der 199 Parlamentsmandate errungen haben. Orban kann voraussichtlich zum vierten Mal in Folge mit einer verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit regieren.

Als am Sonntagabend die Teilergebnisse eintrudelten und schon recht bald einen massiven Wahlsieg der rechtsnationalen Regierungspartei Fidesz vermuten ließen, schien es, als ob Orban es kaum fassen konnte. Als er vor der Budapester Veranstaltungshalle, die als Schauplatz der Wahlparty diente, vor seine Fans trat, überschlug sich seine Stimme vor Triumphgefühlen.

„Wir haben einen gewaltigen Sieg errungen. Einen so gewaltigen Sieg, dass man ihn sogar vom Mond sieht, aber von Brüssel aus ganz gewiss“, rief er in die jubelnde Menge. „Gewaltige internationale Kraftzentren“ hätten sich gegen die Fidesz-Partei gestemmt. Es sind die üblichen Verdächtigen: „Brüssel“ - das heißt die EU-, der ungarischstämmige US-Investor und Demokratie-Förderer George Soros („Onkel Gyuri“), die „internationale Linke“ und die internationalen Medien.

Orban-Herausforderer Peter Marki-Zay zerrknirscht: „Doch wir haben nicht gewonnen“

Peter Marki-Zay, leader of the six-party opposition coalition United For Hungary, delivers his speech after the general election and national referendum on the child protection law in Budapest, Hungary, Sunday, April 3, 2022. (Tibor Illyes/MTI via AP)
Orbans Herausforderer Peter Marki-Zay zeigt sich nach dem Wahlsieg von Orban zerknirscht: Unter ungleichen Bedingungen, mit zusammengebundenen Beinen, mit einer Lanze im Rücken sind wir in diesen Kampf gegangen“, erklärte er das Unfassbare.
ftim, AP, Tibor Illyes

Zerknirscht, vom Ausmaß der Niederlage schockiert zeigte sich Orbans Herausforderer Peter Marki-Zay. Der Spitzenkandidat des erstmals bei dieser Wahl angetretenen Oppositionsbündnisses „Ungarn in Einheit“ stellte sich im Budapester Stadtwäldchen seinen Anhängern. „Unter ungleichen Bedingungen, mit zusammengebundenen Beinen, mit einer Lanze im Rücken sind wir in diesen Kampf gegangen“, erklärte er das Unfassbare. „Doch wir haben nicht gewonnen.“

Sieger in der Politik haben viele Freunde, Verlierer bleiben hingegen allein. Dem Auftritt Marki-Zays assistierte kein einziger der Vorsitzenden der sechs Bündnisparteien. Stattdessen reihte der parteilose Konservative und bekennende Katholik seine Frau und sieben Kinder hinter sich auf. „Wir bleiben hier, wir setzen uns für jeden ein, wir bleiben der Macht auf den Fersen“, sagte er. Experten erklärten indes seine politische Karriere für so gut wie beendet.

Orban sieht sich wiederum in jeder Hinsicht bestätigt. „Sein Triumphalismus wirft einen ominösen Schatten voraus“, meinte der Politologe Andras Biro-Nagy in der Wahlsendung des Internet-Fernsehkanals Partizan. „Wir werden eine Fidesz-Politik sehen, die voll unter Testosteron steht.“

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Was bedeutet Orbans Sieg für die europäische Politik?

In der Außenpolitik könnte das vor allem verschärfte Konfrontationen mit der EU bedeuten. Wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit arbeiten die Brüsseler Institutionen daran, dem Land die EU-Fördermittel zu kürzen oder zu entziehen. Es besteht der Verdacht, dass ein Teil der EU-Gelder in korrupte Kanäle fließt und damit zur Stabilisierung des „Systems Orban“ beiträgt.

Zugleich hat sich Orban in den vergangenen Jahren mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verbündet, der ein ähnliches System betreibt, finanziert nicht durch EU-Gelder, sondern durch die Einnahmen aus Rohstoffverkäufen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine brachte Orban in eine prekäre Situation.

Die EU-Beschlüsse zur Verurteilung Russlands und zur Bewaffnung der Ukraine trug der Ungar halbherzig mit. Bislang vermied er es aber, den Kremlherrn offen als Aggressor zu benennen. Damit steht er in EU und Nato isoliert da. Sein Wahltriumph mag ihm vorerst Genugtuung verschaffen. Wie weit diese ihn auf der internationalen Bühne tragen wird, erscheint ungewiss. (dpa/eku)

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