Amtsgericht Dillingen (Bayern) urteilt

Von 12-Stämme-Sekten-Eltern entführt: Vermisste Shalomah (11) muss zurück zu ihren Pflegeeltern

Shaloma
Shaloma wird seit Oktober 2021 vermisst und europaweit gesucht.

Die elfjährige Shalomah, die seit Oktober 2021 vermisst wird und vermutlich von ihren leiblichen Eltern entführt wurde, muss zurück in ihre Pflegefamilie. Das entschied das Amtsgericht Dillingen. Es hat den Antrag der leiblichen Eltern zurückgewiesen, ihnen das Sorgerecht zurück zu geben. Weder die Eltern, die der umstrittenen Sekte "12 Stämme" angehören, noch das Mädchen waren zu dem Gerichtstermin erschienen.

Richter befürchtet, das Shalomah von ihren Eltern geschlagen wird

Das Sorgerecht sei den Eltern teilweise entzogen worden, weil die Richter die Gefahr sehen, dass Shalomah von ihnen geschlagen wird. Diese Gefahr bestehe weiterhin, so das Gericht. Demnach hätten sich die Eltern nicht ausreichend von den Erziehungsmethoden der 12-Stämme-Sekte distanziert. In der Sekte ist es üblich, Kinder bis zum 13. Lebensjahr körperlich zu züchtigen.

Das Gericht monierte, dass Eltern und Kind nicht persönlich zu dem Termin erschienen. Er hätte mit Shalomah persönlich sprechen müssen, um zu erfahren, was der Wille des Mädchens sei, so der Richter. Eine Befragung per Video, wie der Eltern-Anwalt vorgeschlagen habe, sei keine Alternative, da das Kind bei dieser Art der Befragung beeinflusst werden könne.

Die Polizei vermutet Eltern und Kind in Tschechien. Durchsuchungen dort hätten bislang jedoch keine Anhaltspunkte ergeben. Die deutschen Behörden hatten im Jahr 2013 das Mädchen und zahlreiche weitere Kinder wegen Prügelvorwürfen aus der Sekten-Gemeinschaft geholt. Die „12 Stämme“ verließen damals Bayern und siedelten nach Tschechien um.

Video: Shalomah (11) von Sekten-Eltern entführt

Um die Elfjährige gibt es seit längerem Streit. Am 16. Oktober des vergangenen Jahres war sie nach dem Joggen nicht zu ihren Pflegeeltern im bayerischen Holzheim, zurückgekehrt. Die Ermittler glauben, dass sie von ihren leiblichen Eltern verschleppt wurde. Sektenmitglieder hatten den Pflegeeltern gemailt, dass sich das Mädchen bei seinen leiblichen Eltern befände und es ihm gut gehe.

RTL-Reporter Wolfram Kuhnigk, der seit Jahren über die Sekte berichtet, urteilte damals: "Für sie ist es das Schlimmste, was passieren konnte.“

Auch bei dem älteren Bruder des Kindes hatte es einen Sorgerechtsstreit gegeben, berichtete der "Bayrische Rundfunk". Für ihn hätten die Eltern das Sorgerecht seinerzeit nach einer Bewährungszeit zurückbekommen. Er sei allerdings zum betreffenden Zeitpunkt älter als das Mädchen heute gewesen.

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Weltweit sollen 2.000 Menschen der Sekte angehören

Die "12 Stämme" verstehen sich als fundamentalistische urchristliche Gemeinschaft, für die das Alte Testament gilt. Ihre Mitglieder richten sich streng nach der Bibel und nach Geboten, die ihr Gründer Elbert Spriggs angeblich als Offenbarung von Gott empfangen hat.

Über die Zahl ihrer Mitglieder gibt es keine genauen Angaben, Schätzungen zufolge gehören weltweit rund 2.000 Menschen zu den "12 Stämmen", in Deutschland sollen es bis zu 150 gewesen sein.

Das Leben ist streng hierarchisch organisiert, Frauen sind Männern untergeordnet, Kinder sollen "unbeeinflusst von modernen Strömungen" strikt nach biblischen Grundsätzen aufwachsen. (uvo)