"Harry Potter" und Cola-Werbung für Minderjährige verboten
Ungarn: Das steht im umstrittenen Homosexuellen-Gesetz
EU-Kommission will gegen das ungarische Gesetz vorgehen
Die EU-Kommission will gegen ein umstrittenes ungarisches Gesetz vorgehen. Es sieht vor, dass Materialien über Homosexualität und Transgender an Schulen zensiert werden sollen. "Der ungarische Gesetzentwurf ist eine Schande", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. "Er verstößt gegen fundamentale Werte der Europäischen Union: Menschenwürde, Gleichheit und der Respekt für Menschenrechte. Wir zeigen, was genau steht in dem Gesetz, das Bundeskanzlerin Angela Merkel als „falsch und auch mit meinen Vorstellungen von Politik nicht vereinbar“ bezeichnet.
Die Kritik an dem Gesetz war hochgekocht, nachdem der europäische Fußball-Dachverband UEFA abgelehnt hatte, die Münchner Allianz Arena beim EM-Spiel gegen Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten.
Im Video: Grünen-EU-Politikerin Terry Reintke begrüßt Vorgehen gegen Ungarns Politik
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"Werbung" für Homosexualität oder Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen verboten
Das ungarische Parlament hatte am Dienstag vergangener Woche mit deutlicher Mehrheit ein Gesetz verabschiedet, das "Werbung" für Homosexualität oder Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen verbietet. 157 Abgeordnete stimmten bei nur einer Gegenstimme für den Gesetzentwurf, die Opposition boykottierte mit Ausnahme der rechtsradikalen Partei Jobbik die Abstimmung. Die Fidesz-Partei des rechtsnationalistischen Regierungschefs Viktor Orban hatte den Entwurf ins Parlament eingebracht.
Das Gesetz sieht unter anderem ein Verbot von Büchern, Filmen und anderen Inhaltsträgern vor, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind und in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Darüber hinaus soll Werbung verboten werden, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen. Bildungsprogramme zu Homosexualität oder Werbung von Großunternehmen, die sich mit Homosexuellen solidarisch erklären, sollen demnach künftig verboten werden, ebenso wie Aufklärungsbücher zu dem Thema.
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Bestimmte Filme dürfen in Ungarn nur noch spätabends gezeigt werden
Werbung von Unternehmen wie etwa Coca-Cola, das sich 2019 für die Rechte von Homosexuellen in Ungarn eingesetzt hatte, ist laut dem neuen Gesetz künftig verboten. Auch Bücher über Homosexualität sind nicht mehr zulässig. Beliebte Filme wie "Bridget Jones - Schokolade zum Frühstück", "Harry Potter" und "Billy Elliot" dürfen gemäß der neuen Rechtsprechung laut dem Fernsehsender „RTL Klub Ungarn“ nur noch spätabends mit einer Freigabe ab 18 Jahren gezeigt werden.
Das Gesetz gilt als besonderes Anliegen von Ministerpräsident Viktor Orban, dem Kritiker das Schüren von Vorurteilen gegenüber Minderheiten vorwerfen. Ungarns Außenminister Peter Szijjarto hatte das Gesetz nach dessen Verabschiedung gegen Kritik verteidigt: Es lege lediglich fest, dass Eltern bis zum 18. Lebensjahr ihrer Kinder die exklusiven Rechte zur Erziehung hinsichtlich der sexuellen Orientierung hätten.
Es könne nicht sein, dass ein Sohn gegen den Willen seines Vaters mit "Propaganda" konfrontiert werde. Zudem richte sich das Gesetz gegen Pädophile, sagte Szijjarto. Er frage sich, ob irgendeiner der Kritiker den Text überhaupt gelesen habe. Grundsätzlich sei die ungarische Regierung absolut offen für eine Debatte, betonte er.
Menschenrechtler sprechen von "Zensur" in Ungarn
Die Bestimmungen sind Teil eines Gesetzes, das auch strengere Strafbestimmungen für sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorsieht. Es soll unter anderem das "Recht der Kinder auf ihre bei der Geburt empfangene geschlechtliche Identität" schützen. Es sieht auch die Schaffung eines sogenannten Pädophilen-Registers vor.
Ungarische Menschenrechtler sprachen von einer "Zensur nach russischem Vorbild". Das Gesetz gefährde die seelische Gesundheit von LGBT-Jugendlichen und verhindere, dass sie rechtzeitig an präventive und sie unterstützende Informationen gelangen, hatte es in einer gemeinsamen Erklärung von Amnesty International und mehreren LBGT-Organisationen geheißen.
Das Homosexuellen-Gesetz ist noch nicht in Kraft getreten
Der ungarische Ministerpräsident Victor Orban wies die Kritik an dem Anti-LGBT-Gesetz zurück. "Das kürzlich verabschiedete ungarische Gesetz schützt die Rechte von Kindern, garantiert die Rechte der Eltern und bezieht sich nicht auf die Rechte der sexuellen Orientierung von Personen über 18 Jahren, sodass es keine diskriminierenden Elemente enthält", sagte Orban in einer Erklärung. Das Gesetz wurde vom ungarischen Parlament verabschiedet, es ist allerdings noch nicht in Kraft getreten.
Ungarn war bereits im Dezember mit einem Gesetzespaket gegen Homosexuelle und andere vorgegangen, das international auf Kritik stieß. Es schreibt unter anderem vor, dass das Geburtsgeschlecht nicht geändert werden kann, und untersagt es Homosexuellen, Kinder zu adoptieren. (ntv.de/mra, dpa, AFP, Reuters)