„Team Wallraff“ undercover in Kölner KlinikTüröffner zur Krebsstation vier Wochen nicht geputzt - wie hygienisch sind deutsche Krankenhäuser?
Kranke Menschen, offene Wunden und viele Keime – gerade in Krankenhäusern sollte es sauber sein!
Um das zu gewährleisten, werden auch für Kliniken Reinigungsunternehmen engagiert. Doch wie gut wird hier wirklich geputzt? Müssen ohnehin schon geschwächte Menschen Angst haben, sich zusätzlich mit Keimen anzustecken? Und geht es auch hier am Ende mehr um Geld als um Hygiene?
Reinigungsfirma wirbt mit höchsten Hygiene-Standards
„Team Wallraff“-Reporterin Larissa will diesen Fragen in ihrem Undercover-Einsatz nachgehen. Sieben Tage putzt sie in der Notaufnahme im Krankenhaus Köln-Merheim. Angestellt ist sie dafür bei der Apleona Careclean GmbH, einem Subunternehmen des Reinigungsriesen Apleona Group.
Eigentlich gute Voraussetzungen, damit es in der Klinik sauber ist – wenn man der Internetseite des Reinigungsunternehmens glaubt. Apleona wirbt dort mit höchsten Hygiene-Standards sowie einer sogenannten Krankenhaus-Reinigungs-DIN, die vorgibt, wie und wie oft in Kliniken gereinigt werden sollte. Entspricht die Werbung auch immer der Realität?
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Ein Lappen für Waschbecken und Toilette
Behandlungsräume, Wartezimmer, Böden, Wände, Türklinken, Flächen, Ablagen und Toiletten – die Liste der zu putzenden Flächen in der Notaufnahme der Kölner Klinik ist lang. Vor allem Türen und Türklinken sollen gemäß der DIN-Norm für die Krankenhausreinigung eigentlich täglich gereinigt werden. Undercover-Reporterin Larissa hat in ihrem Praktikum jedoch den Eindruck, dass zwar klar ist, was gereinigt werden muss – wie und wie oft jedoch eher nach eigenem Ermessen umgesetzt werden.
„Wenn du allein bist, kannst du arbeiten, wie du willst“, bestätigt auch eine Kollegin. Gibt es hier also doch keine verbindlichen Angaben und entsprechende Schulungen, wie auf der Internetseite beworben?
Auch welche Lappen für welche Oberflächen benutzt werden, scheint hier gerade jede Reinigungskraft für sich zu entscheiden. So beobachtet Larissa beispielsweise, dass derselbe Lappen sowohl für das Waschbecken als auch für die Toilette verwendet wird.
Für Dirk Heyartz, Desinfektor und Sachverständiger für Gebäudereinigung, fatal: „Wenn ich das höre, stellen sich die Nackenhaare auf, weil man da das System wahrscheinlich nicht verstanden hat“, erklärt er im Gespräch mit Günter Wallraff. „Sie wissen nicht, was haben die an den Händen, Sie waschen sich irgendwo Wunden ab oder Blut oder Sonstiges, dann nehmen sie dieses vom Waschbecken mit dem gleichen Lappen und putzen damit das WC, wo sie sich draufsetzen oder es auch mit den Händen anfassen.“
Besser sei es laut dem Experten, Lappen mit verschiedenen Farben zu nutzen, damit man genau weiß, was mit welchem Lappen gereinigt werde.
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Handdesinfektionsmittel zum Putzen? Wirkung „fast null“
Theoretisch ist das auch möglich, wie Larissa im Vorratsraum entdeckt. Hier gibt es Lappen in Gelb, Pink und Blau – genutzt werden aber während ihres Einsatzes offenbar nur die gelben.
Ebenfalls problematisch für den Hygiene-Experten: Eine Vorarbeiterin, die es grundsätzlich sehr genau mit der Desinfektion des Wartezimmers zu nehmen scheint, verwendet allerdings das hier eigentlich für Patienten bereitstehende Handdesinfektionsmittel, um Flächen und Stühle zu reinigen.
„Das zeigt mir, dass dieses Personal keine Ahnung hat.“ Desinfektionsmittel aus dem Handspender wirke durch Reibung und Einwirkzeit zwar gut, wenn es auf die Hand aufgetragen werde, allerdings sei die Wirkung „fast null“, wenn die Reibung wegfalle und das für die Hände gedachte Mittel nur auf Flächen aufgetragen werde, erklärt Heyartz weiter.
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Team Wallraff testet mit UV-Farbe: Wie oft werden diese kritischen Stellen hier gereinigt?
Auch sonst beobachtet „Team Wallraff“-Reporterin Larissa teilweise kreative Reinigungsmethoden. So putzt eine Kollegin die Tür einfach mit dem Bodenwischer, eine andere hält – vermutlich um Zeit zu sparen – direkt die gesamte Klobürstenvorrichtung in die Toilette.
Wie lässt sich so eine angemessene Hygiene garantieren?
Um zu überprüfen, wie oft kritische Stellen wie Toiletten, Türöffner und -klinken, Aufzugknöpfe oder Lichtschalter in der Notaufnahme gereinigt werden, sprüht Undercover-Reporterin Larissa UV-Farbe auf 26 Stellen. Zwei Tage später kontrolliert sie die Stellen erneut. Das Ergebnis: Mindestens 18 der 26 markierten Stellen wurden gar nicht gereinigt.
Apleona erklärt hierzu:
„Selbstverständlich werden alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf alle relevanten Hygienevorschriften und (…) hohen Standards sorgfältig geschult und eingearbeitet. (…) Vermeintliche Unregelmäßigkeiten sind für uns Ansporn, unsere Leistungen noch weiter zu verbessern und auch unsere Mitarbeiter entsprechend zu motivieren.“
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Einzelfall oder System? Team Wallraff testet weitere Kliniken
Ist das Krankenhaus in Köln-Merheim ein Einzelfall? Um das herauszufinden, hat das Team Wallraff auch in anderen Kliniken, in denen Apleona für die Reinigung zuständig ist, kritische Stellen mit UV-Farbe markiert.
Diesmal nicht nur an Stellen, die täglich gereinigt werden sollten, sondern auch in Bereichen, die als besonders sensibel gelten – wie die Krebsstation, der Intensiv- oder der OP-Bereich.
67 Oberflächen in vier Krankenhäusern in Köln, Essen und Berlin werden überprüft. Das Ergebnis ist schockierend: Etwas mehr als zwei Drittel der überprüften Stellen wurden nach der Testmethode des Team Wallraff nicht gereinigt – und das innerhalb von 48 Stunden. Vom Rest wurde demnach nur gut die Hälfte gründlich gereinigt – also so, wie man es in einem Krankenhaus erwarten sollte.
„Ich möchte da nicht liegen“, sagt auch Desinfektor Dirk Heyartz. Auch das Risiko der multiresistenten Keime, die sich hier bilden können, stuft er als gefährlich ein.
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Türöffner zur Onkologie vier Wochen lang nicht gereinigt
Doch es kommt noch erschreckender: Vier Wochen nachdem Undercover-Reporterin Larissa kritische Stellen im Krankenhaus in Köln-Merheim markiert hat, überprüfen wir erneut, ob unsere UV-Farbe mittlerweile weggeputzt ist.
Das Ergebnis: Offenbar wurden Lichtschalter und sogar der Türöffner zur onkologischen Ambulanz vier Wochen lang nicht ein einziges Mal gereinigt – und das, obwohl hier krebskranke Patienten behandelt werden. Dies lässt zumindest unser Test vermuten, denn unsere Farbe ist noch da.
Apleona teilt „Team Wallraff“ mit, dass sie sehr wohl alle Hygienevorschriften einhalten und entsprechend den vereinbarten hohen Standards sorgfältig schulen und einarbeiten. Ansonsten verweist Apleona an die Krankenhäuser.
Die Kliniken in Köln und Essen erklären sinngemäß, dass keine Verfehlungen bekannt seien und entsprechend den Vorgaben ordnungsgemäß gereinigt und regelmäßig die Qualität überprüft und kontrolliert werde. Zudem zweifeln sie die hier angewandte Testmethode an.
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„Team Wallraff – Reporter undercover“ mit zusätzlichem Undercover-Einsatz auf RTL+
Die ganze Reportage von „Team Wallraff – Reporter undercover“ läuft am Donnerstag um 20.15 Uhr bei RTL und auf RTL+.
Exklusiv bei RTL+ seht ihr außerdem den Undercover-Einsatz von „Team Wallraff“-Reporterin Michelle. Wie Reinigungskräfte in Schulen ausgebeutet werden, wieso darunter die Schul-Hygiene leidet und welche Folgen dies auch für Schüler haben kann. (akr)