„Team Wallraff“-Reporter putzt in Berliner UniversitätVon Steuergeldern bezahlt? Steckt sich diese Reinigungsfirma unser Geld in die Tasche?
Was passiert hier mit unseren Steuergeldern?
Öffentliche Gebäude gibt es in jeder deutschen Stadt. Und diese müssen selbstverständlich gereinigt werden! Das wird häufig durch öffentliche Gelder finanziert, also durch uns, den Steuerzahler. So auch bei „Team Wallraff“-Reporter Alex, der für seinen Undercover-Einsatz bei einer Reinigungsfirma in einer Berliner Universität arbeitet. Eigentlich bezahlt die Freie Universität Berlin die Reinigungsfirma dafür, dass täglich über acht Stunden gereinigt wird. Doch diese gibt Alex nur vier Stunden Zeit. Wie kann das sein – und was passiert mit dem restlichen Geld?
2.000 Quadratmeter reinigen innerhalb von vier Stunden - ein Ding der Unmöglichkeit!
In Berlin werden viele der öffentlichen Gebäude von der Reinigungsfirma Capital Infradienst gereinigt. Auch „Team Wallraff“-Reporter Alex bewirbt sich hier – und darf zur Probe arbeiten.
Um fünf Uhr morgens beginnt Alex’ Arbeitstag an der Freien Universität Berlin. Eigentlich arbeiten die Reinigungskräfte allein, Alex wird jedoch zunächst von seinem neuen Kollegen Dogan* angelernt.
Zusammen sollen die beiden einen riesigen, rund 2.000 Quadratmeter großen Gebäudekomplex putzen. Dazu zählen unter anderem:
zehn Büroräume
mehr als 30 Toiletten sowie zehn Urinale
30 Waschbecken
zwei Teeküchen
und über zehn große Seminarräume sowie die dazugehörigen Flure.
Die Universität bezahlt dafür eine Reinigungsfirma, die dafür wiederum eine Reinigungskraft für acht Stunden täglich zur Verfügung stellen soll.
Wie Dogan Alex erklärt, gibt die Reinigungsfirma aber vor, dass das 2.000 Quadratmeter große Uni-Gebäude nicht in acht, sondern in vier Stunden gereinigt werden muss. Quasi unmöglich, findet auch Oliver Majowski, Sachverständiger für Gebäudereinigung. Der Experte erklärt, dass für eine solche Größe zehn bis elf Stunden realistischer seien.
Wie kommt also die Vorgabe von vier Stunden zustande, wenn die Reinigungsfirma von Steuergeldern für acht Stunden bezahlt wird? Und wo geht das restliche Geld hin?
Das Unternehmen sagt dazu in einer Stellungnahme: „Capital Infradienst bestreitet, dass so viele Räume täglich gereinigt werden müssen. Sie geben an, dass mehrere Mitarbeiter für diesen Gebäudekomplex zuständig sind.“
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„Gründlich kannst du das niemals schaffen“: Mitarbeiter unter Zeitdruck bedient sich kurioser Putztechniken
Den immensen Zeitdruck auf der Arbeit spürt Alex sofort – und lernt dadurch Dogans kreative Putztechniken kennen. Denn um seiner Arbeit in der kurzen Zeit gerecht werden zu können und so viel wie möglich von dem zu schaffen, was von ihm verlangt wird, muss Dogan zu ungewöhnlichen Methoden greifen. So „putzt“ er zum Beispiel den Boden mit einem trockenen Wischmopp anstatt mit einem nassen. Offenbar, um Zeit zu sparen.
Alles andere koste laut ihm wertvolle Zeit. Sein Motto: „Gründlich kannst du das niemals schaffen. Niemals. Also, Hauptsache, das sieht sauber aus.“
Das bemerkt „Team Wallraff“-Reporter Alex vor allem auf den Toiletten. Als Dogan ihm zeigt, wie er bei der Arbeit vorgeht, staunt der Reporter nicht schlecht: Das Waschbecken wird mit den bloßen Händen gesäubert und mit Papierhandtüchern trocken gewischt. Und für die Reinigung der Spiegel müssen ein paar Wassertropfen reichen.
Capital Infradienst hierzu: „Sollten Mitarbeiter ohne Reinigungsmittel arbeiten oder trockenwischen, wird es arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Weder gibt es eine solche Arbeitsanweisung, noch sind derartige Verstöße gegen die arbeitsvertraglichen Leistungspflichten bekannt.“ Die Einhaltung dieser Leistungspflichten werde stichprobenartig kontrolliert.
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Dreckiges Geschirr? Einfach in den Mülleimer werfen!
Es wird sogar noch richtig eklig: Beim Reinigen der Toiletten nutzt Dogan EINEN einzigen Lappen für alle Bereiche. Und geht auch noch in der falschen Reihenfolge vor – nämlich vom inneren Toilettenbereich, der am dreckigsten ist, über die Brille bis hin zum Klodeckel.
Der Experte sagt dazu: „Man arbeitet ja vom Ablauf her von sauber nach schmutzig, also vom sauberen in den schmutzigen Bereich. Der Toilettendeckel ist der saubere Bereich. Der Randbereich ist schmutziger, mehr Fäkalien.“
Capital Infradienst bestreitet eine solche Vorgehensweise, „denn Mitarbeiter würden mit einem Farbsystem und unterschiedlichen Tüchern reinigen und bei Arbeitsbeginn angewiesen, das System streng einzuhalten.“
Unfassbar für Undercover-Reporter Alex ist auch: Wenn Dogan irgendwo im Klassenraum beispielsweise eine benutzte Tasse findet, wirft er sie in den Müll! Ebenfalls offenbar, um Zeit zu sparen.
Capital Infradienst sagt hierzu: „Dogan habe seine arbeitsvertraglichen Leistungspflichten vernachlässigt und wiederholt gegen die Arbeitsanweisungen verstoßen. Die Arbeitsweisen von ihm sind in keinster Weise repräsentativ für das Unternehmen.“
Steckt sich die Reinigungsfirma jedes Jahr rund 28.000 Euro in die eigene Tasche?
Alex’ Arbeitstag ist beendet. Die Vorarbeiterin macht deutlich: Wenn er hier anfangen will, muss er schneller werden.
Ein Blick auf den Gebäudeplan der Freien Universität Berlin und die Einschätzung unseres Experten Oliver Majowski zeigen jedoch: Anspruch und Wirklichkeit haben nicht viel miteinander zu tun.
Wir wissen: Die Uni kalkuliert laut Leistungsverzeichnis mit 8,71 Stunden am Tag. Das sei das Minimum, das die Uni fordert und was sie bezahlt. Doch Alex und Dogan haben nur vier Stunden gearbeitet. Stellt sich die Frage: Was ist mit den restlichen 4,71 Stunden?
Capital Infradienst bekommt im Jahr offenbar über 50.000 Euro für die Reinigung nur für diesen Gebäudekomplex. Doch leisten sie hier nur die Hälfte ihrer Arbeit? Den Rechnungen des Team Wallraff zufolge würden dann vermutlich rund 28.000 Euro in die eigene Tasche wandern. Alles Steuergelder.
„Der Kunde bekommt nicht die Leistung, die er ausgeschrieben hat. Und die Reinigungskräfte werden verheizt“, so Experte Majowski.
Dazu sagt das Unternehmen: „Soweit Sie unterstellen, es würden Arbeitsstunden gegenüber der FU [Freien Universität] abgerechnet, die nicht geleistet wurden, ist dies falsch. Falsch ist auch, es würden gegenüber der FU Leistungen im Gegenwert von 28.000,00 Euro abgerechnet, die tatsächlich nicht erbracht werden. Die vertraglich mit der FU per Leistungsverzeichnis vereinbarten Arbeitsstunden pro Tag werden erbracht und gegenüber der FU auch regelmäßig abgerechnet.“
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Werden Informantinnen eingeschüchtert und bedroht?
Kritik hört die Firma scheinbar nicht gerne. Informantin Maria* erzählt uns, dass ihr angeblich zu wenig Lohn ausgezahlt wurde. Als sie sich darüber beschwert, soll sie, laut ihrer Schilderung, sofort kündigen: „Sie haben mich wie einen Hund rausgeschmissen“, behauptet sie.
Doch sie lässt sich nicht einschüchtern, holt sich Hilfe und geht vor Gericht. Aber auch das bleibt nicht ohne Konsequenzen: Maria soll einen Drohanruf und eine Warnung erhalten haben, dass sie auf das Geld verzichten soll, das ihr eigentlich zusteht.
Eine andere Informantin, Anna*, behauptet: „Es ist für mich erstaunlich, dass so etwas in Deutschland passieren kann. Ich hätte nicht gedacht, dass ich in einem so angesehenen Land die gleichen Dinge antreffe: Drohungen und ein Sklave zu sein.“
„Team Wallraff“-Reporter Alex kündigt nach wenigen Tagen und drückt seine Unzufriedenheit gegenüber der Vorarbeiterin aus. Diese zeigt sich wenig einsichtig.
Am Ende bleibt für Alex ein fader Beigeschmack über ein dubios wirkendes System: Mitarbeiter, die sich beschweren, Reinigungsleistungen, die nach den Recherchen teilweise nicht erbracht werden und eine Uni, die offenbar nicht weiß, mit wem sie es hier wirklich zu tun hat. Doch zumindest will die Uni dem jetzt nachgehen.
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„Team Wallraff – Der Podcast“ bei „RTL+ Musik“
Begleitend zur TV-Ausstrahlung erscheint zudem eine neue Folge von „Team Wallraff – Der Podcast“ bei „RTL+ Musik“ und überall sonst, wo es Podcasts gibt. Darin sprechen die Undercover-Reporter Jana, Michelle und Alex über ihre Erfahrungen in der Reinigungsbranche und über die Dinge, die im TV nicht zu sehen waren.
Video-Playlist zu „Team Wallraff"
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„Team Wallraff – Reporter undercover“ auf RTL+
Exklusiv bei RTL+ seht ihr außerdem den Undercover-Einsatz von „Team Wallraff“-Reporterin Michelle. Wie Reinigungskräfte in Schulen ausgebeutet werden, wieso darunter die Schul-Hygiene leidet und welche Folgen dies auch für Schüler haben kann. (vdü)
*Namen von der Redaktion geändert