"Diese Menschen erleben eine Retraumatisierung"
Sie überlebten die Nazis und sind jetzt wieder Kriegsopfer: So wird Holocaust-Überlebenden in der Ukraine geholfen

2,8 Millionen Menschen wurden während des Nazi-Regimes aus der Sowjetunion verschleppt, hunderttausende mussten fliehen. Trotz menschenunwürdiger Bedingungen als Zwangsarbeiter oder Häftlinge in den Ghettos und Konzentrationslagern haben einige von ihnen überlebt und sind in ihre Heimat, unter anderem in die Ukraine, zurückgekehrt. Jetzt erleben sie das Trauma des Kriegs in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine erneut.
Anders als vor etwa 80 Jahren sind sie aber jetzt nicht mehr in der Lage schnell zu fliehen. Viele sind bettlägerig oder auf Medikamente angewiesen. Verschiedene Stiftungen und Initiativen wollen diesen Menschen vor Ort helfen.
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"Sie sind Situationen ausgesetzt, die dieses Trauma aktivieren"
Etwa 42.000 Menschen, die bereits das NS-Regime als Zwangsarbeiterinnen oder Inhaftierte überlebt haben, sind unmittelbar vom Krieg in der Ukraine betroffen. Boris Romantschenko überlebte mehrere Konzentrationslager. Vergangenen Freitag ist er im Alter von 96 Jahren bei einem Bombenangriff auf die ukrainische Stadt Charkiw ums Leben gekommen. Sein Tod zeige, wie gefährlich der Krieg in der Ukraine auch für die KZ-Überlebenden sei, schreibt die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.
Auch die 100 Jahre alte Doba Huberhryz ist eine der zehntausend Betroffenen. Sie wurde am 3. Oktober 1921 in Orichiw im Gebiet Saporischschja geboren. Während des Zweiten Weltkriegs sei sie aus der Ukraine nach Taschkent geflohen, anschließend nach Kiew zurückgekehrt. Nun wurde sie vom israelischen Rettungsdienst Zaka aus der umkämpften Stadt Kiew gerettet. Das bestätigte ein Sprecher der Organisation. Als sie bei der Ankunft in Moldawien hörte, sie könne nun ohne Warnsirenen in Ruhe schlafen, habe sie Tränen der Erleichterung in den Augen gehabt.
„Viele von ihnen erleben nun eine Retraumatisierung“, erklärt Dr. Angela Despot, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, im Gespräch mit RTL. „Sie sind traumatisiert von den Geschehnissen der Vergangenheit und auf sehr bittere Art und Weise sind sie Situationen ausgesetzt, die dieses Trauma nochmal aktivieren.“

Hilfe in Form von Lebensmitteln, lebenswichtige Medikamente und Kleidung
Um diesen Menschen zu helfen, hat der Berliner Verein KONTAKTE-KOHTAKTbI am 9. März das Hilfsnetzwerk NS-Verfolgte ins Leben gerufen. Hier engagieren sich rund 32 Initiativen, Stiftungen, Erinnerungsorte und Gedenkstätten in Deutschland, die sich mit NS-Verbrechen beschäftigen. Die Hilfe für die Zeitzeugen und -zeuginnen ist kompliziert, erklärt Despot im Gespräch mit RTL. „Das sind Menschen, die sind 85, 90, manche noch älter. (...) Sie sind nicht so mobil. Sie können nicht einfach einen Koffer nehmen oder einen Rucksack und gehen“.
Besonders mit Hilfsmitteln, die über Spenden finanziert werden, will das Hilfsnetzwerk daher Verfolgte des NS-Regimes unterstützen. „Das sind Nahrungsmittel, lebenswichtige Medikamente, das sind Kleidung, Wärmedecken. Das können eben Gegenstände sein, die eben für den täglichen Gebrauch und für eine wirklich unmittelbare akute Versorgung notwendig sind.“
Wichtig sei auch, die Strukturen vor Ort zu stärken, die die Unterstützung überhaupt erst möglich machen. Es gebe daher einen engen Austausch mit den Personen vor Ort, die genau wüssten, was gebraucht wird und mit den Menschen in direktem Kontakt stehen.
"Auch die Erinnerung muss geschützt werden"
Neben der Hilfe für die Menschen selbst, steht auch der Schutz ihrer Geschichte im Fokus der Stiftung EVZ. „Da geht es um Archivalien, da geht es um Dokumente“, so Depot. Sie spricht dabei über Überbleibsel aus der NS-Zeit, die unter anderem KZ-Inhaftierungen dokumentieren. Diese müssten jetzt auch in Sicherheit gebracht und digitalisiert werden, „damit uns diese Gegenstände der Erinnerung nicht verloren gehen.“
(mit dpa)
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"Die Klitschkos – Brüder, Kämpfer, Helden" auf RTL+
Seite an Seite gegen das Böse. Mit Entschlossenheit und Leidenschaft. Vitali und Wladimir Klitschko stehen vor der größten Herausforderung ihres Lebens. Seit der russischen Invasion in die Ukraine geben die beiden früheren Box-Schwergewichtsweltmeister nicht nur ihre Muskeln, sondern auch ihren scharfen Verstand und vor allem Herzblut für die Verteidigung ihrer Heimat. Für die Freiheit, für den Frieden. Aus unerschütterlicher Liebe zu ihrem Volk. RTL+ zeigt in der Doku "Die Klitschkos – Brüder, Kämpfer, Helden" die bewegende Geschichte der beiden Brüder, die immer mehr zu Symbolfiguren des ukrainischen Widerstands werden.