Warum Klinik-Kost noch kranker machtRisikofaktor Krankenhaus-Essen! Worauf Angehörige achten sollten

Friendly nurse is serving hospital food
Eine gesunde, ausgewogene Ernährung hat maßgeblichen Einfluss auf die Therapie von Krankheiten. Dennoch setzen viele Kliniken aus Kostengründen überwiegend auf nährstoffarme Fertigprodukte.
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Was wir essen, beeinflusst nicht nur unser Gewicht, sondern auch unsere Gesundheit.
Aber auch auf den Heilungsprozess von Krankheiten hat die Ernährung großen Einfluss, wie zahlreiche Studien belegen. Dennoch ist durchschnittlich jeder vierte Krankenhauspatient mangelernährt. Wir erklären, woran ihr eine Unter- oder Mangelernährung erkennt und was ihr tun könnt.

Vor allem Kinder und ältere Patienten sind von Mangelernährung betroffen

Zum Mittagessen Reis mit Hühnerfrikassee, abends eine Scheibe Graubrot mit Wurst oder Käse: Oft ist das Essen, das in Kliniken serviert wird, alles andere als lecker. Doch nicht nur das: Nährstoffarme Mahlzeiten beeinflussen auch den Genesungsprozess – und zwar negativ. Denn nehmen die Patienten über die Nahrung zu wenig Vitamine und Nährstoffe auf, verzögert sich nicht nur die Heilung, wodurch sich der Aufenthalt im Krankenhaus verlängert. Auch das Sterblichkeitsrisiko steigt.

In Deutschland sind 20 bis 30 Prozent aller Krankenhauspatientinnen und -patienten von Mangelernährung betroffen. Insbesondere Menschen mit chronischen oder schweren Erkrankungen leiden darunter, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) berichtet. Besonders besorgniserregend ist demnach die Situation in den geriatrischen Abteilungen: 37 Prozent der über 70-Jährigen weisen eine Mangelernährung auf. Doch auch bei Kindern ist eine unzureichende Ernährung weit verbreitet. Demnach sind in Deutschland bis zu 23 Prozent der pädiatrischen Patientinnen und Patienten betroffen. Die Folgen sind alarmierend und reichen von einer erhöhten Infektanfälligkeit über Wachstumsstörungen bis hin zu lebenslangen gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Schätzungen zufolge sterben jedes Jahr rund 200.000 mangelernährte Patientinnen und Patienten. „Ein systematisches Ernährungsmanagement könnte jährlich rund 55.000 Todesfälle vermeiden“, gibt Prof. Dr. med. Matthias Pirlich, Vizepräsident der DGEM, zu bedenken.

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„70-80 Prozent aller Krankheiten haben eine Ernährungsursache”

Doch das Problem ist nicht neu: Schon vor über 15 Jahren wurde im Rahmen der German Hospital Malnutrition Study der Ernährungszustand von insgesamt 1.886 Patienten aus 13 Kliniken erfasst. Dabei zeigte sich, dass 27 Prozent der untersuchten Teilnehmer bereits am Tag der Aufnahme ins Krankenhaus Anzeichen einer Mangelernährung aufwiesen.

Ist der Bedarf an Energie, Eiweiß, Vitaminen und anderen Nährstoffen über längere Zeit nicht ausreichend gedeckt, führt das zu einem Abbau von Körpersubstanz. Vor allem ein Eiweißmangel wirkt sich negativ aus, da der Körper folglich Muskelmasse abbaut. Aber auch die Organ- und Körperfunktionen werden beeinträchtigt. So steigt beispielsweise das Risiko für Infektionen und Wundheilungsstörungen, gleichzeitig verlängert sich die Genesung und folglich der Krankenhausaufenthalt.

Laut DGEM steigt die stationäre Verweildauer bei mangelernährten Patientinnen und Patienten um über 40 Prozent, was zu massiv höheren Behandlungskosten führt. „Im Jahr 2023 belaufen sich die Mehrkosten durch Mangelernährung auf bis zu 8,6 Milliarden Euro”, erklärt Pirlich. Aber auch das Sterblichkeitsrisiko steigt.

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Woran ihr eine Mangelernährung erkennt

Vor allem die folgenden Veränderungen können auf eine Mangelernährung hindeuten:

  • ungewollter Gewichtsverlust

  • niedriges Körpergewicht bzw. Body-Mass-Index (BMI)

  • Schwächegefühl

  • Antriebslosigkeit

  • verminderte Konzentrationsfähigkeit

  • reduzierte Muskelmasse und verminderte Muskelkraft

  • Appetitlosigkeit

  • Kreislaufprobleme

  • Stimmungsschwankungen

  • Depressionen

Untergewicht: Ab diesem BMI wird es gefährlich

Untergewicht entwickelt sich dann, wenn über einen längeren Zeitraum nicht genügend Kalorien aufgenommen werden. Und das wiederum geht in den meisten Fällen auch mit einer ungenügenden Aufnahme von Nährstoffen einher. Untergewicht macht sich in der Regel durch eingefallene Wangen oder hervorstehende Knochen bemerkbar.

Ein Body-Maß-Index (BMI) von unter 18,5 beziehungsweise unter 20 bei Menschen, die älter als 65 Jahre sind, ist ein Anzeichen für eine Mangelernährung. Auch ein ungewollter Gewichtsverlust von mehr als zehn Prozent innerhalb der letzten drei bis sechs Monate gilt als typisches Anzeichen einer mangelhaften Ernährung.

Auch ein BMI unter 20 bei gleichzeitigem, ungewolltem Gewichtsverlust von mehr als fünf Prozent in den vergangenen drei bis sechs Monaten zählen zu den entscheidenden Kriterien, um eine Mangelernährung zu diagnostizieren.

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Warum auch Medikamente und Erkrankungen Einfluss auf die Nahrungsaufnahme haben

Grundsätzlich kennzeichnet sich eine Mangelernährung nicht nur durch ein geringes Körpergewicht aus. Auch Menschen mit Normal- oder Übergewicht können mangelernährt sein. Das ist bei einer sehr einseitigen Ernährung mit viel Zucker, Salz und ungünstigen Fetten der Fall. Wird diese nicht durch viele frische Lebensmittel wie Gemüse, Salat und Obst sowie Vollkornprodukte und fettarme Eiweißprodukte ausgeglichen, steigt das Risiko für einen Vitamin- und Nährstoffmangel.

Auch die Einnahme von Medikamenten kann die Nahrungsaufnahme, aber auch die Nährstoffverwertung beeinflussen. So hemmen viele Antibiotika, Sedativa und Entzündungshemmer beispielsweise den Appetit, während Krebsmedikamente wie Zytostatika häufig Übelkeit verursachen und das Geschmacksempfinden stören können.

Die österreichische Ernährungswissenschaftlerin Angelika Beirer kam 2021 zu der Schlussfolgerung, dass bei bis zu 20 Prozent der verstorbenen Krebspatienten nicht der Krebs selbst, sondern die Mangelernährung zum Tode führt. Dafür wertete sie weltweite Forschungsarbeiten zum Thema Krebs und Mangelernährung aus. Sie empfiehlt daher ein möglichst frühzeitiges Screening auf Unterernährung, um Patienten die bestmögliche Behandlung zu ermöglichen.

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Warum das Risiko für Mangelernährung mit zunehmendem Alter steigt

Vor allem ältere Patienten leiden nicht selten unter Kau- und Schluckbeschwerden. Das erschwert die Nahrungsaufnahme. Auch das Durstempfinden nimmt mit zunehmendem Alter ab, genauso wie das Geruchs- und Geschmacksempfinden. Letzteres wiederum hemmt den Appetit.

Gleichzeitig ändert sich mit zunehmendem Alter die Körperzusammensetzung: Knochen- und Muskelmasse nehmen ab, während die Fettmasse zunimmt. Daher ist zwar der Kalorienbedarf insgesamt niedriger als in jungen Jahren, gleichzeitig müssen die aufgenommenen Lebensmittel noch nährstoffreicher sein.

Nicht selten tragen auch Einsamkeit, Isolation oder der Tod eines nahestehenden Menschen dazu bei, dass insgesamt weniger oder auch anders gegessen wird als zuvor. Fehlt die Gesellschaft, können viele Menschen das Essen nicht wirklich genießen und essen automatisch weniger. Das gilt besonders, wenn der verstorbene Partner überwiegend fürs Kochen zuständig war.

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Im Video: Essen im Krankenhaus, das tatsächlich schmeckt?

Was eine Mangelernährung so gefährlich macht

Eine unzureichende Versorgung mit lebensnotwendigen Nährstoffen begünstigt Erkrankungen und verzögert die Genesung. So steigt das Risiko für Stürze und Knochenbrüche durch Abnahme der Muskulatur. Auch das Risiko für Infektionen nimmt zu, weil das Immunsystem geschwächt ist. Durch den Nährstoffmangel kann es zudem zu chronischer Müdigkeit kommen, die oft mit mangelnder Konzentrationsfähigkeit einhergeht. Das mindert die Lebensqualität. Gleichzeitig steigt der Medikamentenbedarf, aber auch der Krankenhausaufenthalt verlängert sich durch die verlangsamten Heilungsprozesse.

Die gute Nachricht: Mit einem einfachen Screening bei der Klinikaufnahme lässt sich eine Mangelernährung prinzipiell schnell diagnostizieren. Hierfür stehen unterschiedliche Tools zur Verfügung, wie zum Beispiel der Nutritional Risk Score (NRS), das Mini Nutritional Assessment (MNA) oder das Malnutrition Universal Screenings Tool (MUST). Daher sollte ein Screening zum Zeitpunkt der Aufnahme des Patienten optimalerweise verbindlich in den Krankenhäusern eingeführt werden.

Eine an die Diagnose angepasste Ernährungstherapie, in die Pfleger, Ärzte und Diätassistenten oder Ernährungsberater gleichermaßen mit einbezogen sind, kann die Heilung beschleunigen. Sei es durch geeignete Kostformen, Ernährungspläne oder gegebenenfalls das Angebot hochkalorischer Trinknahrung.

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Diese Nährstoffe fördern die (Wund-)Heilung

Vor allem schwer Erkrankte oder Patienten, die eine Operation hinter sich haben, benötigen eine vitamin- und nährstoffreiche Kost. Denn durch Wunden wird die Stoffwechselbelastung größer und der Nährstoffbedarf steigt. Immer häufiger werden jedoch industrielle Fertigprodukte für die Verpflegung der Patienten verwendet. Zu diesem Ergebnis kommt die fünfte Care-Studie des Deutschen Krankenhaus Institutes (DKI) und der K&P Consulting GmbH aus dem Jahr 2019. An dieser hatten 378 von insgesamt 1.300 angefragten Krankenhäuser teilgenommen.

Damit sich die Zellen im Zuge der Wundheilung wieder aufbauen können, ist nicht nur ein erhöhter Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen, sondern auch an Eiweiß und Energie nötig. Generell sollten Patienten und deren Angehörige auf eine ausreichende Versorgung mit folgenden Nährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen achten:

Eiweiß

Eiweiß ist DER zentrale Baustein aller Körper- und Abwehrzellen, aber auch am Aufbau von Muskeln, Hormonen und Enzymen beteiligt. Vor allem im Alter benötigt unser Körper mehr Eiweiß, um dem natürlichen Muskelabbau etwas entgegensetzen zu können. Gute Eiweißquellen sind mageres Fleisch, fettarme Milchprodukte, Hülsenfrüchte wie Linsen, Erbsen oder Bohnen sowie Eier. Pro Kilogramm Körpergewicht sollte die Aufnahme 0,8-1 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht betragen.

Kohlenhydrate

Kohlenhydrate liefern dem Körper schnell verfügbare Energie. Nehmen wir zu wenig Energie in Form von Kohlenhydraten auf, wird körpereigenes Eiweiß abgebaut, wenn wir nicht durch Sport und regelmäßige Bewegung gegensteuern. Folglich schwindet die Muskelmasse. Setzt möglichst auf komplexe Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten. Aber auch Kartoffeln liefern viele komplexe und gleichzeitig gut verdauliche Kohlenhydrate.

Omega-3-Fettsäuren

Omega-3-Fettsäuren stärken das Immunsystem, sind wichtig für die Versorgung und den Aufbau des Gehirns und sorgen für eine gute Durchblutung. Letztere spielt vor allem für die Wundheilung eine entscheidende Rolle. Reichlich enthalten sind Omega-3-Fettsäuren in fettem Fisch wie Lachs, Makrele und Hering, aber auch in Mikroalgen wie Spirulina. Auch Pflanzenöle wie Leinöl, Oliven- und Rapsöl enthalten viele der ungesättigten Fettsäuren. Durch ein bis zwei Fischmahlzeiten pro Woche deckt ihr euren Bedarf.

Diese Vitamine sind besonders wichtig

Vitamin A

Das Vitamin stärkt nicht nur die Sehkraft, sondern fördert auch den Aufbau von Haut und Schleimhäuten. Deswegen ist es für die Wundheilung besonders wichtig. Es steckt vor allem in Innereien wie Leber, aber auch in rotem Obst und Gemüse wie Möhren, Paprika oder Aprikosen. Etwa 15 Milligramm Vitamin A solltet ihr pro Tag zu euch nehmen.

Vitamin C

Vitamin C stärkt die Immunabwehr. Gleichzeitig fördert es die Kollagenbildung und damit die Bildung neuer Zellen. Besonders viel Vitamin C enthalten Zitrusfrüchte, Beeren, aber auch rote Paprika. Pro Tag solltet ihr etwa 500 bis 1.000 Milligramm zu euch nehmen.

Vitamin E

Vitamin E pusht das Immunsystem, wirkt antioxidativ und entzündungshemmend. Es findet sich in Nüssen und pflanzlichen Ölen wie Distel-, Raps- und Weizenkeimöl. Etwa 200 bis 400 Milligramm pro Tag sind ausreichend.

Warum Eisen und Zink für die Genesung zentral sind

Eisen

Wenn Wunden heilen, brauchen sie Sauerstoff. Deshalb ist eine ausreichende Eisenversorgung wichtig. Eisen fördert nämlich den Sauerstofftransport zum Wundgewebe. Eisen steckt vor allem in Fleisch und grünem Gemüse wie Mangold und Spinat. Auch Haferflocken und Hülsenfrüchte sind eine gute Quelle für Eisen. Wichtig: Nehmt eisenhaltige Lebensmittel immer zusammen mit Vitamin C auf. Trinkt also zum Müsli beispielsweise ein Glas Orangensaft oder mischt rote Paprika mit in den Linsensalat. Das verbessert die Eisenaufnahme. Etwa 10-15 Milligramm Eisen pro Tag reichen aus.

Zink

Zink wirkt Entzündungen entgegen und fördert die Wundheilung. Außerdem ist das Spurenelement unerlässlich für ein funktionierendes Immunsystem und die Krankheitsabwehr. Zink steckt vor allem in Vollkorngetreideprodukten, aber auch Fleisch, Hülsenfrüchten und Nüssen. Pro Tag solltet ihr etwa 15-30 Milligramm Zink aufnehmen.

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Lust auf mehr: Wie ihr den Appetit von Patienten fördert

  • Das Auge isst bekanntlich mit: Ein paar Farbtupfer in Form von frischem Gemüse wie Paprika, Tomaten oder Möhren werten das Krankenhausessen nicht nur optisch, sondern auch geschmacklich und in Sachen Nährstoffen auf.

  • Als Lebenspartner, Familienangehörige oder enge Freunde wisst ihr am besten, was euren Liebsten schmeckt: Wenn aus gesundheitlichen Gründen nichts dagegen spricht, dürft ihr Patienten ihr Lieblingsessen mitbringen oder etwas Spezielles zubereiten. Das erhöht die Chance, dass es auch gegessen wird.

  • Informiert euch über die Essenszeiten im Krankenhaus und erkundigt euch, ob zu dieser Zeit Besuch erlaubt ist. Viele Menschen essen in Gesellschaft vertrauter Menschen lieber und auch mehr als allein in einer für sie fremden Umgebung.

  • Achtet darauf, dass während des Krankenhausaufenthaltes auch genug getrunken wird. Stellt Wasser, Tee oder Schorle gut erreichbar hin. Flüssigkeitsmangel kann Vergesslichkeit fördern und diese wiederum den Flüssigkeitsmangel selbst.

  • Sollte ein Patient feste Nahrung partout ablehnen, kann eine künstliche Ernährung beziehungsweise Flüssignahrung eine Unter- oder Mangelernährung abwenden.

  • Klagt der Patient über einen metallischen Geschmack, kann die Verwendung von Holz- oder Plastikbesteck helfen.

  • Falls der Patient eine Zahnprothese trägt, solltet ihr kontrollieren, ob diese richtig sitzt. Denn schlecht sitzende Prothesen, verlegter Zahnersatz oder Zahnschmerzen können ebenfalls die Nahrungsaufnahme erschweren.

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