Richterin bescheinigt "rassistisches Gedankengut"
Prozessauftakt: Polizei bringt Vater des Hanau-Attentäters ins Gericht
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Geldstrafe für Hans-Gerd R.
Der Vater des Attentäters von Hanau ist am Mittwochabend vom Amtsgericht Hanau wegen drei Fällen von Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 5.400 Euro verurteilt worden. Mit Blick auf einen der Vorwürfe bescheinigte die Vorsitzende Richterin dem Mann „rassistisches Gedankengut“. Der Angeklagte selbst verließ unmittelbar nach der Verkündung des Strafmaßes den Saal, ohne sich die Urteilsbegründung anzuhören.
Beleidigungen in mehreren Schreiben
Der Prozess vor dem Hanauer Amtsgericht gegen. Hans-Gerd R. war am Mittwochmorgen direkt nach Beginn unterbrochen worden, weil der Angeklagte nicht erschienen war. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete die Vorsitzende Richterin die Vorführung des Mannes an, die Polizei brachte ihn in den Gerichtssaal. Hans-Gerd R. musste sich wegen des Vorwurfs der Beleidigung verantworten. Es ging um Äußerungen in einer Anzeige sowie zwei Schreiben an Behörden.
Er bezeichnete Menschen als "wilde Fremde"
Hans-Gerd R. wirkt verwirrt im Gericht, er wird gegenüber der Richterin laut, unterbricht sie immer wieder. Er behauptet, bereits gestern Abend ein Fax geschickt zu haben und die Richterin darin wegen Befangenheit abgelehnt zu haben. Außerdem beschwert er sich bei ihr wegen der angeblichen Demolierung seiner Wohnung: Die Polizei musste ihn zuhause abholen, weil er nicht zum Termin erschienen war. Dabei soll laut des Angeklagten ein Fenster zerbrochen worden sein. Die Verhandlung musste erneut unterbrochen werden, um den Eingang des Faxes zu überprüfen. Während der Verhandlung trägt der Angeklagter keine Maske und weigert sich, sich hinzusetzen.
Nach Angaben des Gerichts wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann vor, im Januar 2021 in einer Strafanzeige mehrere Menschen als "wilde Fremde" bezeichnet zu haben. Diese hätten zuvor in der Nähe seines Wohnhauses eine Versammlung unter dem Motto "Wir warten nicht auf einen neuen rassistischen Anschlag" abgehalten. Unter den Teilnehmern der Kundgebung waren auch mehrere Angehörige der Anschlagsopfer.
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Der Angeklagte ist der Vater des 43-jährigen Deutschen, der am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven erschoss, bevor er vermutlich seine Mutter und schließlich sich selbst tötete. Der Anwalt des Angeklagten hatte auf Anfrage keine Stellungnahme zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten abgegeben.
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Vorwürfe gegen SEK und Hanaus Oberbürgermeister
In einem weiteren Fall geht es um ein Schreiben aus dem Januar 2021 an den Generalbundesanwalt, der bereits in der Tatnacht die Ermittlungen zu dem Attentat an sich gezogen hatte. In dem Schreiben soll der Mann ein Spezialeinsatzkommando aus Frankfurt, das unmittelbar nach dem Anschlag an seiner Wohnanschrift eingesetzt war, als "Terrorkommando" beziehungsweise "Terroreinheit" bezeichnet haben.
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Schließlich soll er im Februar 2021 in einem Schreiben an das Amtsgericht Hanau den Hanauer Oberbürgermeiser Claus Kaminsky (SPD) unter anderem der "Wählertäuschung" bezichtigt haben. Die Betreffenden würden "vom Oberbürgermeister in einer typischen Art und Weise zu ihrem Nachteil missbraucht, vorgeführt und verführt", hieß es laut Gericht in dem Schreiben.
Das Amtsgericht hatte darauf hingewiesen, dass es sich bei sämtlichen mitgeteilten Vorwürfen "um vorläufige Beschreibungen handelt, bei denen die Unschuldsvermutung zugunsten der angeklagten Person gilt und die in der Beweisaufnahme der angesetzten Verhandlung durch das Gericht erst geprüft werden".
Gutachter attestiert "wahnhafte Störung"
Ein forensischer Gutachter attestierte dem Angeklagten anhand von Akten und seinem Verhalten im Gerichtssaal zwar eine „wahnhafte Störung“, die sich unter anderem in einer „Schreibflut“, einem ausgeprägten Sendungsbewusstsein sowie in der Verleugnung der Straftaten seines Sohnes äußere. Die gegen ihn erhobenen Anklagepunkte entsprängen zugleich einem rechtsextremen Gedankengut. Auch von „Kampf-Paranoia“ und „querulatorischem Wahn“ sprach der Gutachter. Der Mann zeige keinerlei Empathie, sei egozentrisch und „völlig unempathisch“, so der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie. Es sei aber keinerlei Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit zu erkennen. „Ein Verhalten eines Angeklagten wie heute habe ich selten erlebt“, sagte der Gutachter.(dpa/npa)