Prozess in Schweinfurt
Kai K. soll Verlobte vergewaltigt haben - um ihr Dämonen auszutreiben?

Gewalt, Dämonen und Vergewaltigungen hinter alten Klostermauern?
Der „geistiger Führer“ der alternativen Wohngemeinschaft „Go&Change“ steht wegen Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung vor Gericht. Kai K. (42) soll seine Ex-Partnerin geschlagen, vergewaltigt und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt worden.
Opfer Annika K. hatte Angst um ihr Leben
„Ich hatte richtig Angst um mein Leben“, sagt Annika K. Doch sie sagt auch: „Ich habe Kai für die Liebe meines Lebens gehalten.“ Zwei Aussagen, die gegensätzlicher nicht sein können. Genau so habe Annika K. den Angeklagten Kai K. oft erlebt. Ein Mann mit Tötungsfantasien und ein Mann, den man sich als Partner wünscht. Die Medizinstudentin hat den selbst ernannten „geistigen Führer“ der Entwicklungsgemeinschaft für Lebensqualität aus dem unterfränkischen Lülsfeld vor Gericht gebracht. Auch wenn es der 30-Jährigen schwerfällt, erzählt sie als Zeugin am Landgericht Schweinfurt ihre Geschichte.
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2018 hat sie zum ersten Mal Kontakt zu der Gruppe. Der 42-jährige Kai K. ist der Führer der Gemeinschaft. Sie beginnt eine Beziehung mit ihm, lebt mit der Gruppe in einem alten Kloster.
Vor Gericht spricht die junge Frau mit klarer Stimme, deutlich und bestimmt, bittet aber die Richterin ihren Stuhl so zu stellen, dass sie dem Angeklagten nicht in die Augen sehen muss. Dann beginnt sie mit ihren Schilderungen. „Ich glaube, dass es am Anfang eine Gemeinschaft war, heute sage ich: Kult oder Sekte.“
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„Heute sage ich: Kult oder Sekte.“
Auf Nachfrage der Richterin wird sie deutlich, was ihr die Gemeinschaft in der Gruppe bedeutet hat: „Weil sie denken, sie haben den Himmel gefunden“. „Da wird man richtig gefeiert, wer man ist.“ Sie braucht Pausen, während sie aussagt. Aber sie wollte Kai K. vor Gericht sehen, sagt sie. Sonst werde er einfach weitermachen.
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Die Gemeinschaft habe sich sehr starke Versprechungen gegeben, sich als Familie gesehen. Die Deutungshoheit in der Gemeinschaft habe Kai und sein Stellvertreter Felix K. gehabt. Sie habe Kai so gesehen, dass sie füreinander bestimmt sind. Kai und sein kleiner Sohn aus einer anderen Beziehung, habe sie als eigene Familie angesehen. Den Jungen vermisse sie bis heute.

Annika K. und Kai K. waren zweimal verlobt
Der Angeklagte schaut die Zeugin genau an, während sie aussagt. Manchmal schüttelt er mit dem Kopf oder runzelt die Stirn. Die Polizei hat ihm die Handschellen abgenommen. Die Fußfesseln trägt er während der ganzen Verhandlung.
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Annika K. war in einer Beziehung mit dem „geistigen Führer“ der alternativen Wohngemeinschaft. Sie erzählt davon, dass es Pläne gab, ein medizinisches Zentrum aufzubauen. Das habe ihr gefallen. Sie wollte sich als angehende Ärztin einbringen. Wenn sie sich an den ersten Kontakt mit Kai K. erinnert, beschreibt sie ihn als Lichtgestalt, er selbst habe sich als „Lichtbringer“ gesehen. „Wir waren in einer Beziehung, on-off“, sagt sie vor Gericht. Seien zweimal verlobt gewesen.
Diese Liebesbeziehung war geprägt von Gewaltexzessen, angeblichen Dämonen und brutalen Vergewaltigungen.
Kai K. soll Opfer mit dem Tod gedroht haben
Die junge Frau schildert, sie habe alles versucht, die brutalen sexuellen Übergriffe zu verhindern, indem sie das gemacht habe, was Kai von ihr gefordert habe. Oft habe sie nur mitgemacht, dass es nicht noch schlimmer würde. Es habe ein Code-Wort gegeben, „Blue-Moon“, um die brutalen sexuellen Handlungen zu stoppen. Daran habe sich Kai K. nicht gehalten. Er habe sie als Dämon gesehen, der viele Schatten habe.
„Er hat mir schon mit dem Tod gedroht. Ich hatte wirklich Angst, dass er mich umbringt, dass ich das nicht überlebe.“ Sie erinnert sich, dass sie gebissen wurde, „relativ am Ende war das letzte Würgen.“ Der Lattenrost des Bettes sei gebrochen. Das schlimmste sei die Angst gewesen, die Angst vor dem Sterben, und dass Kai, der Mann, den sie geliebt habe, derjenige sein könnte, der sie umbringe. „Da war mir klar, ich muss hier weg.“
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Warum sie sich der Beziehung zu Kai K. so lange ausgesetzt hat, kann sie sich heute nicht mehr erklären. Sie erinnert sich dennoch daran, dass eine Zeit gab, als sie sich im Kloster sehr wohl gefühlt habe. Heute sagt die 30-Jährige, sie glaube, „dass Herr K. ein Narzissmus-Problem hat und sehr stark abgespaltene Ängste“. Und ergänzt: „Weil sie nicht zu seinem glorreichen Selbst passen“.
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Angeklagter soll Opfer immer mehr Dämonen angedichtet haben
In der Gruppe wurden harte Drogen konsumiert. Kokain, Ecstasy, LSD, Ketamin, Pilze. Kai K. habe besonders gerne LSD und Kokain genommen. Die Drogen wären immer verfügbar und frei zugänglich gewesen. „Wir wurden lange wachgehalten“. „Meine Rolle war, als seine potenzielle Frau – einer seiner potenziellen Frauen – war ich in der Rolle der Bösesten überhaupt, der schlimmsten Dämonin, aber manchmal auch ein Vorbild für die anderen.“ Für die Frauen in K.s Umfeld habe gegolten: Je näher sie ihm standen, desto mehr Dämonen habe er ihnen angedichtet. Zudem soll Kai K. ihr gesagt habe, es wäre für die Welt besser, wenn sie sterben würde. Es dauerte lange, bis sie Kai K. sagt: „Du bist krank, du brauchst Hilfe.“
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Heute weiß sie: „Kai hat mich gefoltert.“ Und sie zog Konsequenzen: „Ich musste mich entscheiden, glaube ich das – oder lebe ich. Ich habe mich für das Leben entschieden.“ Bis heute leidet die Medizinstudentin unter Albträumen. Sie hat Angst um ihr Leben.
Anwalt: Opfer wurde manipuliert
Schon zu Beginn des Prozesses hatten die vier Verteidiger von Kai K. versucht, die Glaubwürdigkeit der Ex-Partnerin infrage zu stellen. Zeugen wurden genannt, die beweisen sollen, dass die junge Frau manipulativ sei und selbst Vergewaltigungsfantasien gehabt haben soll. Auch private Videos der sexuellen Übergriffe hat die Verteidigung dem Gericht übergeben. Diese sollen belegen, dass das Opfer die Übergriffe wollte. Ein forensisch-psychiatrisches Gutachten zur Glaubwürdigkeit von Annika K. sollte auf Antrag der Verteidiger erstellt werden. Rechtsanwalt Jürgen Zillikens, der die junge Frau anwaltlich vertritt, sagt, seine Mandantin stehe im Leben, zu Beginn ihrer beruflichen Karriere. Seine Mandantin sei derart manipuliert worden, dass sie sich heute selbst über ihr damaliges Verhalten wundere. Sie selbst sagt: „Ich war nicht stark genug zu gehen.“
Ursprünglich sollte der Prozess nach acht Verhandlungstagen zu Ende gehen. Das Landgericht Schweinfurt hat weitere Termine festgelegt. Das Urteil wird frühestens Ende Juni erwartet.
Solltet ihr unter sexueller Gewalt leiden, findet ihr Hilfe unter der kosten-losen Hotline 08000 – 116 016 oder unter www.hilfetelefon.de.