Durchbruch in der Forschung? Mediziner schätzt ein

Löst ein Darmbakterium Parkinson aus? Studie liefert neue Erkenntnisse

Warum erkranken Menschen an Parkinson? Eine Frage, die Mediziner wie Betroffene seit Langem umtreibt. In Helsinki wollen Experten jetzt eine mögliche Ursache für die tückische Nervenkrankheit gefunden haben. Demnach soll eine bestimmte Art von Darmbakterien ursächlich für den Zellverfall im Gehirn sein.

Desulfovibrio Bakterium ursächlich für Parkinson?

Die Studie der Uni Helsinki, die in einer Zusammenfassung in der Fachzeitschrift Frontiers in Cellular- and Infection Microbiology veröffentlicht wurde, ist Teil einer größeren Untersuchung und wirft einen genaueren Blick auf den Zusammenhang zwischen Darmflora und Parkinson. Den Ergebnissen zufolge könne Parkinson durch eine Anhäufung des Proteins Alpha-Synuclein im Darm verursacht werden, das durch den so genannten Nervus vagus ins Hirn gelange. „Das Protein lagert sich dort ab und verursacht letztendlich die Erkrankung“, erklärt Medizinjournalist und Allgemeinarzt Dr. Christoph Specht im Gespräch mit RTL. Die Frage sei immer gewesen, wieso bei Parkinson-Erkrankten vermehrt dieses Protein im Darm nachgewiesen worden wäre.

Die These der Forscher aus Finnland: Ein bestimmtes Bakterium ist schuld an der Überproduktion des Proteins, genauer gesagt das Desulfovibrio Bakterium – „eigentlich kein Bakterium, das Krankheiten auslöst“, erklärt Dr. Specht, vielmehr tauche es in der Öl-Industrie auf, wo es die Rohre zerfressen würde.

Dr. Specht: Darum hat die Studie auch Schwachstellen

Dr. Christoph Specht schaut in die Kamera.
Dr. Christoph Specht schätzt die Parkinson-Studie aus Helsinki ein.
Moritz Jansen, photoMo

Doch genau dieses Bakterium wiesen die Studienleiter in den Stuhlproben von zehn Parkinson-Erkrankten nach. Anschließend wurden die Proben an Würmer verfüttert und untersucht, welche Tiere mehr der bereits genannten Alpha-Synuclein-Proteine produzierten. Das Ergebnis: Die Würmer der Erkrankten wiesen signifikant mehr Proteine auf und starben eher als die Würmer, die mit dem Stuhl gesunder Menschen aus der Kontrollgruppe gefüttert worden waren.

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Für die Forschenden ein Durchbruch: „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bestimmte Stämme von Desulfovibrio-Bakterien wahrscheinlich die Parkinsonkrankheit verursachen“, wird Professor Per Saris von der Universität Helsinki in einer Pressemitteilung zitiert.

Im Rahmen der Vorbeugung von Parkinson könnte das eine sensationelle Erkenntnis sein, sagt auch Specht, der Haken: Es seien lediglich zehn Patienten untersucht worden, die Proteinentwicklung sei nur am Wurm und nicht am Menschen aufgezeigt worden. „Ich bin der Meinung, dass da mehrere Bakterien eine Rolle spielen“, so Specht. Schließlich hätten bereits ältere Studien gezeigt, dass Parkinson-Erkrankte eine veränderte Darmflora haben.

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Auch die richtige Therapie stellt weiter ein Problem dar: Laut Saris und seiner Forschungsgruppe müssten die Träger der Bakterien erst einmal ausfindig gemacht und entsprechend im Darm entfernt werden. „Dadurch können die Symptome von Parkinson-Patienten gelindert und verlangsamt werden“, so der Professor. Denn sobald die Bakterien nicht mehr im Darm seien, würden auch keine Proteine mehr gebildet werden, die die Krankheit im Gehirn auslösen könnten.

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Dr. Specht sieht das kritisch, denn die gängigste Behandlung bei Bakterien – Antibiotikum – schädige bekanntermaßen die ganze Darmflora, so der Mediziner. „Man bräuchte ein sehr selektives Antibiotikum, das nur diese Bakterien zerstört und das ist aktuell noch eine große Schwierigkeit.“ Außerdem könne Parkinson trotzdem nur präventiv behandelt werden. „Die gestörten Nervenzellen im Gehirn müssten ja wieder rückgängig gemacht werden“ – ein Vorgang, der schlicht noch nicht möglich sei.

„Das ist keine vorbeugende Therapie, die in kurzer Zeit zu erwarten ist“, resümiert Specht, „aber es ist ein weiterer Mosaikstein im Verstehen, wie es zu Parkinson kommt.“ Würde die Krankheit tatsächlich irgendwann als Infektionskrankheit angesehen werden, wäre das durchaus eine Sensation, so der Mediziner.