Revisionsprozess in Brandenburg

Meine Tochter Bianca wurde im Nazi-Bunker ermordet - jetzt spricht Mama Yvonne

von Bastian Schlüter

„Sie ist es mir wert!“
Im Juli 2021 wird die 26-jährige Bianca S. erstochen. Ihr damaliger Ex-Freund Kurt L. gerät schnell in den Fokus der Ermittlungen. Das Landgericht Neuruppin verurteilt den damals 29-Jährigen wegen Totschlags zu zwölfeinhalb Jahre Haft. Der Bundesgerichtshof geht aber von Mord aus – und auch für Biancas Mutter und Oma ist dieses Urteil nicht zufriedenstellend. RTL hat die beiden Frauen zum Auftakt des Revisionsprozesses begleitet.
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Bundesgerichtshof begündet Revision mit Heimtücke

Bunker
Bianca S. am Bahnhof Oranienburg kurz vor ihrem Verschwinden.

Es ist der erste von fünf angesetzten Prozesstagen. Nebenklägerin Yvonne B., die Mutter von Bianca, ist als Zeugin geladen, ebenso die Oma von der getöteten 26-Jährigen. Die Staatsanwaltschaft und Yvonne sind in Revision gegangen, da sie eine Verurteilung wegen Mordes beantragt hatten. Doch das Landgericht verurteilte den Angeklagten „nur“ wegen Totschlags. Für Biancas Familie und Freunde ist das nicht akzeptabel. „Er sollte für immer weggesperrt werden und nicht nach zwölf Jahren wieder frei sein. Was ist dann? Soll die Familie dann in Angst leben?“, sagt eine Freundin von Bianca im RTL-Interview.

Dass der Bundesgerichtshof im März 2023 das Urteil des Landgerichts aufheben konnte, wurde damit begründet, dass Kurt L. seine Tat heimtückisch verübt haben soll. Bei Heimtücke handelt es sich um ein Mordmerkmal und bedeutet, dass das Opfer wehrlos war und der Täter dies ausnutzen konnte. Außerdem ist sich der Bundesgerichtshof sicher, dass der Angeklagte Bianca in einen Hinterhalt gelockt hat. Er soll es geschafft haben, sie in einen abgelegenen Funkbunker zu locken, der nur durch einen sehr schmalen Eingang zu erreichen war.

Lese-Tipp: Mord im Nazi-Bunker: Bianca S. (†26) soll sich wegen Kurt L. verändert haben

Mutter von Bianca S.: „Ich weiß es von Anfang an, es war kein Totschlag"

Yvonne B. und ihre Mutter
Yvonne B. (links) und ihre Mutter (rechts) sind zum ersten Verhandlungstag des Revisionsprozesses als Zeuginnen geladen.
Crimespot AGT

Für Mutter und Oma sind die erneuten Prozesstage belastend. Auf die Frage hin, wie der erste Tag für sie war, sagt Biancas Oma: „Schrecklich“. Bianca lebte seit ihrer Geburt an bei ihrer Oma. Zuletzt mit ihrem fünfjährigen Sohn. Mit ihrer Mutter hatte sie aber regelmäßigen Telefon- und Videokontakt. Auch am Tag ihres Verschwindens versuchte Yvonne B. ihre Tochter zu erreichen – doch ohne Erfolg. „Ich rief meine Mutter an und sagte zu ihr ‘Wir brauchen uns keine Hoffnung mehr zu machen, ich habe Biancas Gesicht im Vollmond gesehen. Sie ist bereits im Himmel’“, sagt Yvonne zu RTL. Die böse Vermutung sollte sich bewahrheiten. Zwei Tage später fand die Polizei die Leiche von Bianca im Bunker in Friedrichsthal.

Auch für Yvonne ist die Situation belastend. Aber sie will für ihre Tochter kämpfen: „Sie ist es mir wert“, sagt sie nach dem ersten Verhandlungstag. „Ich habe zwei Monate lang nicht gearbeitet, weil ich nicht in der Lage war. Äußerlich sieht man mir das nicht so an, aber innerlich sieht es ganz anders aus. Meine Tochter war hilfsbereit, sie war ein fröhliches Kind, wir haben so viel gemacht, wir hatten viel Spaß zusammen und das wurde uns jetzt genommen“, so die Mutter. Für die Nebenklägerin steht außerdem fest: „Ich weiß es von Anfang an, dass es kein Totschlag war. Er hat sie heimtückisch ermordet. Er hat sie ja von hinten erstochen.“

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Im Nazi-Bunker erstochen: Das ist am 15. Juli 2021 passiert

Anwältin Martina Goldkamp-Abraham
Anwältin Martina Goldkamp-Abraham sagt im RTL-Interview, dass ihre Mandantin aufgewühlt sei, der Prozess sei belastend - doch sie will für ihre Tochter kämpfen.
Crimespot AGT

Kurt L. soll Bianca S. mit sieben Messerstichen in einem ehemaligen Nazi-Bunker am 15. Juli 2021 erstochen haben. Sechs der Stiche sollen in den Rücken gegangen sein. Der Angeklagte soll schon länger versucht haben, sich von Bianca S. zu trennen. Das soll ihm aber nicht gelungen sein, weshalb er schon länger geplant haben soll, die 26-Jährige zu töten.
Am Tattag soll er zudem einen Stechbeitel mit sich geführt haben. Dieses Werkzeug benötigte der Holzfacharbeiter-Azubi aber nur für seine Arbeit. An diesem Tag soll er aber nicht gearbeitet haben, teilt der Bundesgerichtshof mit.

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Anwältin Martina Goldkamp-Abraham vertritt Biancas Mutter. Auch sie bestätigt: „Meine Mandantin ist aufgewühlt. Alles wird wieder hochgeholt. Das ist belastend für die ganze Familie. Der sechsjährige Sohn meiner Mandantin hat so sehr damit zu kämpfen, dass er sich in therapeutische Hilfe begeben musste“, berichtet sie im RTL-Interview.

Goldkamp-Abraham und ihre Mandantin streben das gemeinsame Ziel an: lebenslange Haft für den Angeklagten Kurt L. Damit Mutter, Oma und die gesamte Familie endlich zur Ruhe kommen kann.