Erste Misshandlungen schon kurz nach Geburt

Täterin oder Opfer? So rechtfertigt sich Mutter, die ihr 17 Monate altes Kind mit Deo besprühte

Wiederholt soll eine Mutter ihr 17 Monate altes Kleinkind mit Deo besprüht und ihm dadurch schwere Verletzungen zugefügt haben. Die 27-Jährige wurde in Italien verhaftet. Jetzt wird klar: Die Misshandlungen gehen schon viel länger als bisher angenommen. Erstmals spricht nun auch der Anwalt der Mutter über ihren Taten. Steckt dahinter womöglich eine Verwechslung?

Mutter: Wollte Kind mit Deo nicht schaden

Ärzten in Mailand waren im Blutbild des Kindes hohe Aluminiumwerte aufgefallen. Sie informierten die Behörden, die das Zimmer der Mutter mit Kameras überwachten. Die Bilder lieferten die Erklärung für die ständigen Verletzungen. Sekundenlang sprühte die Frau Deo aus nächster Nähe auf die Haut des Kleinkinds! Die Polizei nahm die Frau kurz darauf fest.

Nach ihrer Verhaftung gab die Frau zwar zu, dass sie ihr Kind mit Deo besprüht hat, stritt jedoch ab, es verletzt haben zu wollen. „Ich verstehe nicht, warum ich hier bin. Ich habe immer versucht, mich um meine Tochter zu kümmern. Als sie mich festgenommen haben, ist mir aber bewusst geworden, dass ich mich geirrt habe“, zitiert die Zeitung „La Repubblica“ die Frau.

Tatsächlich bekräftigt sie jetzt noch einmal eine eigene Version der Geschichte: Sie habe ihrem Kind nicht willentlich schaden, sondern vielmehr helfen wollen! Wie ihr Anwalt mitteilte, habe sie wunde Stellen ihres Kindes mit einem Spray der Marke „Borotalco“ nur gelegentlich desinfizieren wollen. Das Talk-Puder der Marke wird in Italien gern für die Wundpflege von Babys verwendet – und ist auch dafür gedacht. Laut ihrem Anwalt begreift sie nicht, wie schwerwiegend die Taten sind, die ihr zur Last gelegt werden. Er teilte außerdem mit, die Anschuldigungen anfechten zu wollen, aus Mangel an Beweisen, dass ihre Taten Ursache der Verletzungen waren.

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Mit einem Deo-Spray dieser Art hat eine 29-Jährige Italienerin ihrer Tochter wiederholt Hautverletzungen zugefügt. Sie habe ihr Kind damit „desinfizieren" wollen. Wundsprays der Marke Borotalco gibt es nicht.
Mit einem Deo-Spray dieser Art hat eine 27-Jährige Italienerin ihre Tochter wiederholt verletzt - angeblich zur „Desinfektion". Wundsprays der Marke Borotalco gibt es nicht.
picture alliance / Bildagentur-o// Amazon (Symbolbild-Collage: RTL)

Misshandlungen sollen schon früher begonnen haben

Neuste Ermittlungen haben ergeben, dass die Misshandlungen offenbar viel früher anfingen als bislang angenommen. Eine erste Episode soll es bereits zwei Monate nach der Geburt des Mädchens gegeben haben, wie RTL-Korrespondenten Susanne Gessner und Michael Michael Kadereit vor Ort erfuhren. Bisher war nur bekannt, dass das Kind zwischen seinem 12. und 17. Lebensmonat in mindestens vier Krankenhäuser in Norditalien eingeliefert worden war.

Während ihres ersten Verhörs hatte die Mutter einer Untersuchungsrichterin erzählt, dass sie sich in psychologischer Behandlung befinde, berichtet das Portal „Südtirol News“. Im Raum steht seither auch die Vermutung, dass eine schwere postnatale Depression die Mutter zu ihren Taten veranlasst haben könnte – womöglich, um ihr Kind dauerhaft stationär einweisen zu lassen.

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Psychologisches Gutachten steht aus: Mutter soll kalkuliert vorgegangen sein

Die Staatsanwaltschaft von Mailand kauft der Frau ihre Geschichte nicht ab. Sie teilte mit: „Die 27-Jährige handelte freiwillig und bewusst“, während das Kind geweint haben soll. Das Statement des Anwalts deutet zudem nicht darauf hin, dass sie den Ärzten je etwas von ihrer angeblichen Wundpflege erzählte, obwohl das Kind nachweislich immer wieder wegen Hautausschlägen, Verkrustungen und Schürfwunden in Behandlung war. Offenbar hat sie das Deo auch nicht vor den Augen des medizinischen Personals verwendet, da die Ärzte selbst darauf kamen.

Laut Medizinjournalist Dr. Specht ist das Verhalten der Mutter typisch für das „Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom“, eine psychische Erkrankung, bei der Eltern ihre Kinder körperlich verletzen oder sie glauben lassen, sie seien krank. Damit wollen sie ständig ärztliche Hilfe und Aufmerksamkeit erhalten. Das Tückische: Die Erkrankten „wissen sehr wohl, was sie tun, aber sie verdrängen es“ und können extrem „manipulativ“ andere Menschen täuschen, so Dr. Specht.

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Ein psychologisches Gutachten der Mutter steht aktuell noch aus und wird entscheidend im Prozess wegen schweren Kindesmissbrauchs sein. Laut dem Anwalt der Mutter gehöre seine Mandantin nicht in ein reguläres Gefängnis, sondern eine psychiatrische Anstalt oder ein betreutes Wohnen.

Das Kind befindet sich derzeit in der Obhut einer Pflegeeinrichtung. Die Behörden prüfen, ob es künftig bei Verwandten der Mutter leben kann, teilte der Anwalt der Mutter mit. Eine Rückkehr zum Vater ist bis auf Weiteres ausgeschlossen, da auch ihm das Sorgerecht entzogen wurde. (lmc)