Chaos nach Messerattacke im Zug bei Brokstedt

Frau will in Panik in ein Auto flüchten, wird aber abgewiesen

27.01.2023, Schleswig-Holstein, Brokstedt: Das Stationsschild des Bahnhofs Brokstedt. Bei einer Messerattacke in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg waren am 25.01.2023 in Brokstedt zwei junge Menschen getötet und sieben verletzt worden. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Am Bahnhof in Brokstedt flüchteten die Menschen vor dem Angreifer Ibrahim A.
dbo tba, dpa, Daniel Bockwoldt
von Lisa Witte und Annika Redmer

Sie sieht ihn auf Menschen einstechen, rennt um ihr Leben aus dem Zug heraus: Doch nicht sofort findet sie Schutz.
Eine 31-jährige Zeugin beschreibt an diesem Verhandlungstag in Itzehoe die schlimmen Minuten nach dem Angriff. Auch weitere Menschen berichten von den langanhaltenden Folgen des Erlebten.

Zeugin: "Menschen haben angefangen zu schreien, ich habe hochgeguckt"

Im Zug arbeitet die Frau zunächst an ihrem Laptop, wird dann durch Schreie alarmiert. Sie sieht, wie Ibrahim A. mit „hoher Brutalität und Frequenz“ auf eine Person einsticht.

Sie kann aus dem Zug auf den Bahnsteig fliehen. Als sie sich in ein parkendes Auto flüchten will, reagiert die Fahrerin abweisend. "Was machen Sie da?", habe die Autofahrerin gefragt. Wahrscheinlich wusste die Frau nicht, was kurz zuvor in dem Zug passiert war und warum die Zeugin in ihr Auto einsteigen wollte. Erst beim zweiten Versuch bei einem anderen Auto habe die Zeugin Zuflucht gefunden, erzählt sie vor Gericht. Später habe sie auch die Abführung des mutmaßlichen Täters beobachtet.

Unsere Reporterin beobachtet im Gerichtssaal, dass der Angeklagte diese Zeugin mehr beachtet als andere Zeugen, sie sogar am Anfang eventuell angegrinst habe. Für die Frau ist das Erlebte ein Trauma: "Das begleitet mich bis heute."

Junger Mann warnt andere Gäste, wählt dann den Notruf

An diesem Verhandlungstag sagt auch der 20-jährige Student aus, der mit seinen Rufen „Messer, Messer, alle raus!“ vielleicht weitere Menschen vor Schlimmeren bewahrt hat. Auf dem Bahnsteig reagiert er dann geistesgegenwärtig und wählt den Notruf. Zuvor habe er im Zug ebenfalls die Tat beobachtet, beschreibt die Stiche auf die Opfer als „gezielt“.

Lese-Tipp: Die Einsatzkräfte von Brokstedt haben nicht mit diesem Ausmaß gerechnet

Erst aus dem Internet habe er von den zwei Todesopfern erfahren. "Ich bin vorsichtiger geworden. Ich höre keine Musik zum Beispiel mehr, wenn ich unterwegs bin. Auch wenn ich eine hohe Frauenstimme höre, schrecke ich manchmal zusammen, auch wenn sie nicht schreit oder so, aber es erinnert mich dann wieder an diesen Schrei", erzählt der junge Mann vor Gericht.

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Erschütternder Prozess um Messerattacke

Ibrahim A. soll am 25.Januar mit einem Messer in einem Zug nahe Brokstedt in Schleswig-Holstein auf mehrere Menschen eingestochen haben. Eine 17-Jährige und ihr zwei Jahre älterer Partner kamen dabei ums Leben, weitere Personen wurden verletzt. Der 34-Jährige kommt ursprünglich aus Palästina. Bis zum Ende des Jahres will das Gericht klären, inwieweit der Mann schuldfähig gemacht werden kann.