Merkel droht Russland mit Wirtschaftssanktionen – Kiew zieht Truppen von der Krim ab
Russland hat eine der letzten juristischen Hürden beim umstrittenen Anschluss der Krim genommen. In einer Sondersitzung des Parlaments billigten die Abgeordneten der Duma den von Präsident Putin und der Führung der Schwarzmeer-Halbinsel unterzeichneten Beitrittsvertrag. Nun fehlt nur noch die Zustimmung des Föderationsrats. Die Ukraine treibt zugleich ihren Truppenabzug auf der Krim weiter voran.

Für den Fall weiterer Aggressionen Russlands gegen die Ukraine sind laut Bundeskanzlerin Angela Merkel Wirtschaftssanktionen gegen Moskau nicht ausgeschlossen. Der Anschluss der Krim an Russland erfordere "die entschlossene wie geschlossene Antwort Europas und seiner Partner", sagte Angela Merkel (CDU) in einer Regierungserklärung im Bundestag. Sie kündigte eine Ausweitung der Liste der bisher 21 Personen an, gegen die Reisebeschränkungen und Kontensperrungen verhängt wurden. Bei einer weiteren Verschärfung der Lage forderte sie weitere Schritte. "Und dabei wird es ganz ohne Zweifel auch um wirtschaftliche Sanktionen gehen."
Zur Zukunft Russlands in der Gruppe der acht wichtigsten Wirtschaftsnationen sagte Merkel: "Solange das politische Umfeld für ein so wichtiges Format wie die G8 nicht gegeben ist, gibt es die G8 nicht mehr, weder den Gipfel noch die G8 als solches." Die Vorbereitungen für das G8-Treffen im Juni im russischen Sotschi sind wegen der Entwicklung auf der Krim bereits ausgesetzt worden.
Auf der Krim selbst tritt das ukrainische Militär mittlerweile den Rückzug an. Nach der Machtübernahme pro-russischer Kräfte kündigte die ukrainische Führung den Rückzug der eigenen Truppen auf das Festland an. Die Maßnahme sei nur vorübergehend, sagte der Chef des nationalen Sicherheitsrates in Kiew, Andrej Parubij, nach Angaben der Agentur Unian. Kurz zuvor hatten pro-russische Kräfte das Hauptquartier der ukrainischen Flotte in der Hafenstadt Sewastopol gestürmt. Der Sicherheitsrat der früheren Sowjetrepublik versetzte das eigene Militär in volle Kampfbereitschaft.
Eine Visapflicht für russische Staatsbürger lehnte der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk vorerst ab. Dieser Schritt müsse sehr genau geprüft werden, "denn an der Beibehaltung des visafreien Verkehrs ist eine große Zahl der Bürger in erster Linie im Süden und Osten des Landes interessiert", sagte Jazenjuk in Brüssel. Er widersprach damit Sicherheitsratschef Parubij, der die Einführung von Visa als Reaktion auf den umstrittenen Beitritt der Krim zu Russland angeordnet hatte.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon trifft heute in der russischen Hauptstadt ein, um sich dort mit Kreml-Chef Wladimir Putin zu treffen und Lösungen für eine Deeskalation des Konflikts zu erörtern. US-Präsident Barack Obama lehnte eine Militärintervention erneut ab. "Wir werden uns in der Ukraine nicht auf ein militärisches Eingreifen einlassen", sagte er dem lokalen TV-Sender NBC 7 San Diego. Stattdessen werde man alle diplomatischen Wege gehen, damit die internationale Gemeinschaft eine "klare Botschaft" an die Adresse Russlands schicke. Auch die ukrainische Regierung wisse, dass militärische Aktionen der USA in dem Konflikt nicht hilfreich wären, sagte Obama weiter.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen fürchtet, dass Russland seine aggressive Politik auch nach der Annexion der Krim fortsetzt. "Meine Hauptsorge ist, dass das nicht aufhören wird", sagte Rasmussen bei einer Rede in Washington. Er sehe die Krim als ein Element in einem größeren Modell einer langfristigen Russlandpolitik - oder zumindest der Strategie von Putin.
Zugleich bezeichnete Rasmussen Moskau indirekt als "globalen Rüpel". Die Einverleibung der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Krim in die Russische Föderation müsse vom Westen als "Weckruf" verstanden werden.
Kiew und Moskau tauschen sich auf Ministerebene aus
Bei all dem Säbelrasseln gibt es auch einen ersten kleinen Erfolg an der diplomatischen Front. So kam erstmals seit dem umstrittenen Krim-Referendum wieder zu einem Austausch zwischen Moskau und Kiew auf Ministerebene.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe bei einem Telefonat mit seinem ukrainischen Kollegen Igor Tenjuch "verschiedene Aspekte der Krise in der Ukraine und Maßnahmen zur Deeskalation der Lage auf der Krim" besprochen. Das teilte das Ministerium in Moskau mit. Das Gespräch habe auf Wunsch der ukrainischen Seite stattgefunden. Dabei hätten die Ressortchefs vereinbart, die Kontakte fortzusetzen, hieß es in der Mitteilung weiter.
In Brüssel beraten heute die EU-Staats- und Regierungschefs über eine gemeinsame Antwort auf die Eingliederung der Schwarzmeer-Halbinsel Krim in das russische Staatsgebiet.
Der CDU-Abgeordnete Brok sprach sich für "ein Embargo auf Rüstungsgüter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (...) sowie Maßnahmen gegen russische Unternehmen und ihre Tochtergesellschaften" aus. Allerdings müssten die Sanktionen "immer auch Platz lassen für sofortige Gespräche", meinte der EU-Parlamentarier.
Auf der Krim hatten die Bewohner am Sonntag bei einem international nicht anerkannten Referendum mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland gestimmt. Die Ukraine, zu der die Halbinsel völkerrechtlich gehört, sowie der Westen werfen Russland einen eklatanten Bruch internationalen Rechts vor. Im UN-Sicherheitsrat gab sich das Land aber erneut unbeeindruckt vom westlichen Protest.