Prozess vor dem Amtsgericht Magdeburg

Adam (2) ertrank beim Kita-Ausflug: Kann die Familie den angeklagten Erzieherinnen vergeben?

Adam ertrank in Magdeburg
Adam ertrank bei einem Kita-Ausflug in einem See.
Privat

Der tragische Tod des kleinen Adam beschäftigt derzeit das Amtsgericht Magdeburg. Ein Fall, der weit über Sachsen-Anhalt Betroffenheit hervorgerufen hat. Der Zweijährige verschwand Anfang Oktober 2020 in Magdeburg bei einem Spaziergang mit seiner Kita-Gruppe und ertrank in einem See. Die Familie sei vom Verlust des Kindes schwer getroffen, erklärt ihr Rechtsanwalt Dr. Thomas Klaus im RTL-Interview. Dennoch hält er es für möglich, dass sie den angeklagten Erzieherinnen am Ende vergibt.

Nach der Rückkehr in die Kita fehlte ein Kind: Adam

ARCHIV - 06.10.2020, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Kerzen, Blumen, Spielzeug und Kuscheltiere sind von anteilnehmenden Bürgerinnen und Bürgern vor dem Tor einer Kindertagesstätte abgelegt worden. Zuvor war am 2. Oktober 2020 ein Zweijähriger bei einem Ausflug mit seiner Kita-Gruppe in Magdeburg verschwunden und leblos in einem See gefunden worden worden. Am 19. August beginnt der Prozess gegen drei Erzieherinnen wegen fahrlässiger Tötung. (zu dpa: «Prozess gegen Erzieherinnen nach Ertrinkungstod eines Zweijährigen») Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Kerzen, Blumen, Spielzeug und Kuscheltiere sind von anteilnehmenden Bürgern vor dem Tor einer Kindertagesstätte abgelegt worden (Archivfoto, 6. Oktober 2020).
kdg lop, dpa, Klaus-Dietmar Gabbert

Vor Gericht stehen drei Erzieherinnen (60, 31, 20) einer integrativen Kindertagesstätte. Sie waren am 2. Oktober 2020 mit einer Gruppe von 17 Kindern im Alter zwischen zwei und vier Jahren für etwa anderthalb Stunden am Neustädter See. Nach der Rückkehr zur Kindertagesstätte stellten sie fest, dass ein Kind fehlte: Adam. Eine großangelegte Suche begann, bis der Junge leblos im Wasser gefunden. Er war ertrunken, wie die Obduktion ergab.

Kita-Erzieherinnen hätten Jungen laut Anklage im Auge behalten müssen

Für die Anklage steht fest: Die drei Betreuerinnen hätten wissen müssen, dass ein kleines Kind am Strand, zumal unbeaufsichtigt, gefährdet ist, ins Wasser zu fallen. Daher hätten sie die Kinder im Auge behalten und darauf achten müssen, dass die Gruppe zusammenbleibt. Stattdessen blieb der Zweijährige allein am See zurück.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Video: Zweijähriger stirbt bei Kita-Ausflug - und niemand merkt es

Anwalt: Angeklagte gestehen Fehler noch nicht ein

"Die Familie sieht sehr reflektiert, dass hier ein Mensch durch einen Unfall ums Leben gekommen ist. Dass niemand in Kauf genommen hat oder wollte, dass der Junge stirbt", erzählt Anwalt Dr. Thomas Klaus. Das sei in einem solchen Fall nicht die Regel. "Es ist ungewöhnlich, dass eine Familie in so einer Situation sagen kann: Wir beschäftigen uns mit der Schuld – sind aber auch in der Lage, zu bewerten, ob man das irgendwann vergeben und verzeihen kann", sagt der Anwalt.

"Der entscheidende Punkt ist: Derjenige, der Verantwortung trägt, muss auch Verantwortung übernehmen und sagen: 'Ich habe den Fehler gemacht'", findet Klaus. Das sei im Prozess bislang noch nicht zu erkennen gewesen. Die Angeklagten hätten eher versucht, die Schuld den jeweils anderen zuzuschieben.

Familie macht "sehr, sehr großes Angebot" an angeklagte Erzieherinnen

19.08.2021, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Die drei angeklagten Frauen im Saal 1 im Amtsgericht zusammen mit einem Anwalt. Heute ist der Beginn vom Prozess gegen drei Erzieherinnen aus Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung. Ein zweijähriger Junge war Anfang Oktober mit seiner Kita-Gruppe unterwegs gewesen und plötzlich verschwunden. Bei einer großangelegten Suche wurde das Kind leblos im Wasser des Neustädter Sees entdeckt. Trotz sofort begonnener Reanimationsmaßnahmen konnte nur noch der Tod festgestellt werden. Foto: Peter Gercke/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Prozessauftakt gegen drei Erzieherinnen in Magdeburg.
peg sb, dpa, Peter Gercke

Man müsse ihnen aber auch Zeit geben, sich der Verantwortung bewusst zu werden, meint der Anwalt. "Dieser Weg lohnt sich. Denn das ist der einzige Weg, um am Ende auch wieder Frieden zu schaffen, nämlich mit der eigenen Schuld zurechtzukommen" appelliert Klaus an die Erzieherinnen. "Wenn die Familie signalisiert, dass sie am Ende – nicht heute, nicht morgen – eine Vergebung empfinden kann, ist das eine große Einladung, sich dieser Verantwortung zu stellen." Dies sei ein "sehr, sehr großes Angebot" von Adams Familie an die Angeklagten.

Adams Vater: Familie ist bereit, zu verzeihen

Der Vater des Jungen nimmt als Nebenkläger an dem Prozess teil. In seinem Namen teilte sein Anwalt mit, die syrische Familie sei bereit, zu verzeihen. (uvo/bst)