Steile Karriere aus Flüchtlingsunterkunft heraus

Lesbisches Paar aus der Ukraine zeigt auf TikTok den unzensierten Flüchtlingsalltag

von Jessy Siodlaczek und Christo Tatje

Über 3,5 Millionen Menschen sind schon an ihrem Schicksal interessiert: Die Flucht aus einem kalten Keller in Kiew bis nach Hannover. Der besondere Einblick in das, was auch der Presse häufig verborgen bleibt. Das Leben in einer ukrainischen Flüchtlingsunterkunft – hautnah und unzensiert. „Ich dachte, dass ich hier in einer sehr interessanten Situation bin, in der professionelle Kameras nicht erlaubt sind“, erzählt Katja Shardyko. Auf der Social-Media-Plattform TikTok zeigt sie gemeinsam mit ihrer Freundin ihren Followern wie es wirklich ist, das Leben in einer Aufnahmestelle. Wie das aussieht, sehen Sie im Video.

33 heftige Bombeneinschläge in Kiew

Katja kauert Anfang März zusammen mit ihrer Freundin Olja in einem Keller in Kiew. Sie suchen Schutz vor den Luftangriffen russischer Truppen. Draußen ist Krieg, das ist unüberhörbar. 33 Bombeneinschläge, dann hört sie auf zu zählen, erinnert sie sich. „Ich kann nicht mehr hier im Keller bleiben. Wir dachten dann, dass es auch hier nicht mehr sicher ist. Hier zu bleiben ist nicht gesund“, erzählt sie später. Es ist der Moment, in dem die zwei entscheiden zu flüchten. Eigentlich wollte sich die 21-Jährige hier in der Hauptstadt auf ihr Physik-Studium konzentrieren. Ab jetzt geht es für sie und ihre Freundin nur noch um Leben und Tod.

Eine Flucht ohne Ziel

Katja und Olja sind insgesamt fünf Tage unterwegs. Sie steigen in Kiew in einen überfüllten Zug nach Polen. Wie viele verlassen sie ihre Heimat mit nur wenigen Habseligkeiten und ihren Ratten, die sie als Haustiere halten, nicht wissend wohin es überhaupt geht. Von Polen aus geht es dann nach Laatzen weiter, wo die zwei am 9. März in einer für Flüchtlinge eingerichteten Zeltstadt unterkommen. Die ganze Flucht hat Katja mit dem Handy festgehalten. Und ab jetzt nimmt sie die TikTok-Welt mit ins Flüchtlingszelt und steht hier vor der Kamera. Ihre Freundin Olja filmt. Beide hoffen, dass Katja mit genügend Klicks bald sogar ein wenig Geld damit verdienen kann. Sonst haben sie ja nichts, außer die paar Habseligkeiten.

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Der Traum vom freien Leben in Deutschland

In der Ukraine hat Katja schon damit angefangen deutsch zu lernen. Das hilft ihr jetzt natürlich sehr. Sie möchte unbedingt an der Leibniz Universität Hannover weiter Physik studieren und sich ein Leben in Deutschland aufbauen. Zu ihrer Familie hat sie kaum Kontakt. Sie sind in Sicherheit und das sei auch gut so, sagt sie, aber dass sie eine Frau liebt stößt in der Familie auf großen Widerstand. Dass sie lesbisch ist, wird Zuhause nicht akzeptiert. Und auch gesetzlich sieht es für homosexuelle Paare in der Ukraine schlecht aus. Heiraten und eine Familie gründen sei in ihrer Heimat undenkbar. „Wir wollen hier in Deutschland bleiben und eine Familie gründen, weil wir das in der Ukraine nicht tun können“, wünscht sich Katja. Es wäre ein Neuanfang und ein Lichtblick in für sie und Olja so oder so schwierigen Zeiten.