CDU-Chef Merz beklagt Sozialtourismus der Ukraine-Flüchtlinge
Hätten Sie besser geschwiegen, Herr Merz!
Immerhin kann man CDU-Chef Merz die Fähigkeit zur Einsicht bescheinigen. Er bedaure die Verwendung des Wort Sozialtourismus, twitterte Friedrich Merz nun. Nachdem er zuvor in einem Interview mit der „Bild“ beklagt hatte, dass man im Zusammenhang mit der ukrainischen Flüchtlingswelle „mittlerweile eine Art Sozialtourismus nach Deutschland erlebt“.
Ukrainer fliehen vor Krieg nach Deutschland
Hintergrund ist die Regelung, dass ab Juni Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine einen Anspruch auf Hartz-4 haben. Sie werden damit gegenüber anderen Asylbewerbern bevorzugt. Aber hat Merz für seine Behauptung irgendwelche Belege? In der Ukraine tobt ein fürchterlicher Krieg. Russland greift landesweit Ziele, auch zivile wie Staudämme an. Die Menschen fliehen vor Krieg, Folter, Mord. Sie fliehen aus einem europäischen Land. Rund eine Million Flüchtlinge haben in Deutschland so Schutz gefunden. Das ist eine große Leistung Deutschlands, aber eben auch eine große Belastung für unser Land.
Aber die Solidarität mit den Flüchtlingen ist groß, weil wir tagtäglich in den Nachrichten das Leid erleben, dass die Menschen in der Ukraine erfahren. Weil wir sehen, mit welcher Leidenschaft sie das Land gegen die Invasoren verteidigen – und welchen Blutzoll sie dafür zahlen. Weil sie in der Ukraine auch unsere Freiheit, unsere Werte verteidigen.
Merz wirft Ukrainern "Sozialtourismus" vor - und entschuldigt sich
Ich war selbst in der Ukraine und konnte persönlich erleben, dass die Flucht nur aus Not geschieht, dass bleibt, wer irgendwie bleiben kann. Fliehen tun und können nur Frauen, Kinder und alte Menschen. Ihre Männer, Väter, Söhne müssen sie zurücklassen.
Natürlich kann Merz die Frage stellen, ob die Regelung Hartz-4 statt Sachleistungen zu gewähren, richtig ist. Aber er muss es tun, ohne die ukrainischen Flüchtlinge pauschal unter Verdacht zu stellen. Natürlich haben die Flüchtlinge zudem das Recht, die Heimat zu besuchen. Das ist ihr gutes Recht. Der CDU-Chef kann doch nicht die Reise in ein Kriegsgebiet als Tourismus bezeichnen. „Billiger Populismus“, kritisiert der scheidende ukrainische Botschafter Melnyk. „Schäbig“ sei der Vorwurf, sagt Innenministerium Faeser.
CDU-Chef schießt populistisches Eigentor
Wie gesagt: Friedrich Merz hat das böse Wort des Sozialtourismus zurückgenommen – und entschuldigt sich für seine „unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems.“ Aber sein Vorwurf steht jetzt im Raum, Populisten und Kreml-Propagandisten werden ihn begierig aufgreifen. Der CDU-Chef hat ein populistisches Eigentor geschossen – zu Lasten der ukrainischen Flüchtlinge und des eigenen Landes.
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